Eine Frage des Vertrauens. (3)

Wir schulterten unser Gepäck und durchquerten die Stadt. Es war ein langer Weg, und die Sonne brannte immer noch vom Himmel. Wir bissen die Zähne zusammen. Jetzt bloß nicht entmutigen lassen!

 

Zehn Minuten vor 12 Uhr hatten wir endlich die Autovermietung erreicht, gerade noch rechtzeitig. Der Mann hinter dem Tresen war gehetzt und gereizt. „Mietwagen? Sofort? Ausgeschlossen! Frühestens morgen früh!“

 

In uns wurde es kalt. Morgen früh war definitiv zu spät. Keine Chance mehr, die Fähre zu erreichen. Aber besser ein Mietwagen ab morgen als gar kein Mietwagen. Jedoch: Als wir den Preis hörten, erschauerten wir: So viel Geld! Der Mitarbeiter wies uns an: „Morgen Führerschein mitbringen und Personalausweis!“ Wir nickten: „Kein Problem!“ - Aber noch war der Mann nicht fertig. Außer Führerschein und Personalausweis müssten wir unbedingt noch eine „Fracture electrique“ mitbringen. Ohne die liefe gar nichts!

 

Wir trauten unseren Ohren nicht. Was in aller Welt war eine „Fracture electrique“? Nach langem Hin und Her wurde klar: Der Mann forderte eine Strom- oder Telefonrechnung von uns. Aber wie sollten wir die hier, mitten in der Picardie, beschaffen?

 

Der Mann drängte zum Aufbruch und schob uns aus dem Büro. Dann standen wir draußen. Es klappte aber auch gar nichts. Der Stadtplan von Abbeville wies einen Park ganz in unserer Nähe aus. Den steuerten wir an. Erstmal Pause nach so viel Lauferei und so viel Frust.

 

Jedoch: Der Park erwies sich als Flop. Zwar gab es dort schöne Pflanzen und gepflegte Wege, allerdings keinen einzigen schattenspendenden Baum. Der Park brütete förmlich in der Sonne. Nein, das ging nun wirklich nicht! Schließlich landeten wir unter drei Birken am Straßenrand und ließen Rucksäcke und Taschen zu Boden gleiten.

 

Jetzt meldete sich der Magen. Wir zogen eine Box mit Nudelsalat hervor, die wir noch bei uns hatten. Der Salat war etwas salzarm und darum leicht fade, aber Salz hatten wir keines. Also löffelten wir den von der Sonne lauwarm aufgeheizten Salat ohne Würze. Dann riefen wir in Deutschland an und baten unseren Sohn, bei uns zuhause eine Stromrechnung herauszusuchen, zu scannen und uns aufs Handy zu schicken: „Fracture electrique“. Aber wozu in aller Welt brauchte der Mietwagen-Mann eine Stromrechnung von uns. Wollte er unsere Rechnungsanschrift haben, weil er unserem Personalausweis nicht vertraute? Merkwürdig. Schließlich entdeckte ich auf meinem Handy die Rechnung unseres Schornsteinfegers. Vielleicht reichte diese „Fracture Schornsteinfeger“ ja aus, und wir hatten endlich wieder einen fahrbaren Untersatz zu unserer Verfügung.

 

Dann aber kamen uns Bedenken. Was sollten wir mit einem teuren Mietwagen anfangen, wenn wir die Fähre zur Insel doch nicht mehr erreichen würden? Die Fähre war über Wochen ausgebucht. Wir hatten keine Möglichkeit mehr, auf die Insel zu gelangen. Auch unser fest gebuchtes Quartier auf der Insel war damit verloren. Wir begriffen: Unser Quartier war definitiv weg. Das Geld, das wir dafür im Voraus gezahlt hatten, war ebenfalls weg. So kurzfristig war keine Stornierung mehr möglich. Unser liebevoll geplanter Urlaub begann zu kippen. Nichts lief, wie es geplant war. Und wir wussten nicht, ob alles gut ausgehen würde.

Schweren Herzens begannen wir umzuplanen: Als erstes brauchten wir eine Bleibe für die Nacht. Ohne die waren wir faktisch Obdachlose. Dies war der Augenblick, an dem Geraldine in unser Leben trat. 

 

(Fortsetzung folgt.)