Geschwister. (2)

Quelle:  pixabay
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Geschwister sind die Menschen, die man am längsten kennt und die (umgekehrt) einen selbst auch am längsten kennen. Prinzipiell spricht eigentlich alles dafür, dass zwischen Geschwistern ein hohes Maß an Geborgenheit herrschen sollte, eben weil sie sich so lange und so gut kennen. Das ist aber nicht immer der Fall. Es gibt auch Geschwister, die sich mit den Jahren immer fremder werden, bis der Kontakt irgendwann vollständig abbricht. Und dennoch: Auch wenn der Kontakt eines Tages ganz wegbricht: Meistens hat man eine lange Wegstrecke miteinander zurückgelegt.

 

Geschwister haben eine gemeinsame Geschichte. Die Geschichte beginnt, wenn der Älteste geboren wird und vervollständigt sich, wenn der Jüngste das Licht der Welt erblickt. Strenggenommen, beginnt die Geschichte der Geschwister eigentlich schon mit ihren Eltern, die Wiederum in Geschichten mit ihren Geschwistern leben. So ist jede Geschwister-Geschichte eingebettet in ein Geflecht anderer Geschwister-Geschichten, die weiter in die Vergangenheit reichen.

 

Niemand kann sich aus seiner ureigenen Geschwister-Geschichte befreien: Selbst dann nicht, wenn er den Kontakt zur Familie vollständig abbricht. Er bleibt Kind seiner Eltern und Teil der Geschwister-Geschichte. Sie prägt und beeinflusst ihn bis ins hohe Alter. Sie ist unabdingbarer Teil seiner Biografie. Er kann es nicht ändern, nur annehmen und sich damit auseinandersetzen.

 

Geschwister sind etwas anderes als Freunde. Freunde sucht man sich. Geschwister sind einfach da. Sie sind einem irgendwie ähnlich, schließlich stammen sie von denselben Eltern ab, teilen dasselbe Zuhause und stehen alle miteinander in Beziehung zu den gemeinsamen Eltern und zueinander. Daraus erwächst über die Jahre eine gemeinsame Geschichte.

 

Sehr viele Erfahrungen werden innerhalb der Familie und unter den Geschwistern geteilt: Erlebnisse im Kindergarten, Erlebnisse mit anderen Kindern in der Straße, später auch Erlebnisse in der Schule,  Abenteuer, Verletzungen, Schmerz, Konflikte in allen Schattierungen. Aber auch: Glück, Siege und Erfolge, genauso wie Niederlagen, Miss-Erfolge und Enttäuschungen. All dies wird mit den Geschwistern geteilt und prägt auf diese Weise alle. Die ganze faszinierende, zum Teil auch gefährliche Fülle und Vielfalt des Lebens drängt herein und wird miteinander besprochen und bewegt. Man lernt miteinander, mit dem Leben umzugehen. Eine Riesen-Chance!

 

Und nun noch etwas: Geschwister sind immer da! Freunde nicht. Mit Freunden kann man sich verabreden, Geschwister dagegen sind so gut wie immer verfügbar. Frei Haus. So bieten sie ein sehr verlässliches, überschaubares Umfeld, das enorm hilfreich ist, um mit den Herausforderungen des großen Lebens klar zukommen und Mechanismen zu ihrer Bewältigung einzuüben.

 

Ohne Geschwister wäre man ziemlich allein mit dieser Aufgabe. Sicher, da gäbe es noch die Eltern. Aber die sind in der Regel mindestens zwanzig Jahre älter. Sie haben einen anderen Blick auf das Leben. Geschwister aber leben alle im selben Zeitfenster.