Wenn Gott schweigt

Quelle:  pixabay
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„Nach Monaten keine Antwort!“ Unter dieser Überschrift berichteten die Zeitungen vor ein paar Jahren über ein skurriles Ereignis, das sich in der Stadt Hannover zugetragen hat: Da hatte ein Bewohner an das Markt-Amt geschrieben. In seinem Schreiben bat er um die Erlaubnis, zur Einführung seines neuen Hannover-Buches in der City Handzettel verteilen lassen zu dürfen.  Als er drei Wochen vergeblich gewartet hatte, griff er zum Telefonhörer. Und was er da von den Mitarbeitern des Markt-Amtes hörte, nahm ihm förmlich den Atem! Wurde ihm doch kurz und knapp mitgeteilt, dass die Bearbeitung eines derartigen Antrages drei Monate dauere. Danach hörte er von dem Amt nie wieder etwas. Das Buch ist dann ohne Handzettelverteilen erschienen. Eine Antwort auf seinen Antrag hat es nie gegeben.

 

Eine skurrile Geschichte, gewiss. Eine Geschichte, die aber auch ein Bild sein könnte für die Erfahrung vieler Menschen mit Gott. Wenn man Menschen auf ihre Erfahrungen mit Gott anspricht, kann man - oft - ganz ähnliche Geschichten hören. Viele haben den Eindruck, dass Gott einfach nicht reagiert, einfach keine Antwort gibt, wenn sie mit einer Bitte zu ihm kommen. Viele beklagen sich, dass sie auch nach Monaten noch keine Antwort von ihm erhalten hätten. Und manche verbittern regelrecht darüber.

Was steckt hinter solchen Erfahrungen? Ich möchte versuchen, das herauszufinden. Vielleicht kann das dem einen oder anderen von Ihnen helfen, bewusster und natürlich auch anders mit dem Gebet umzugehen, um dann auch neue und  andere Erfahrungen zu machen. Eines aber möchte ich vorweg sagen: Gott ist eine Person, nicht nur eine Kraft. Und das bedeutet: Er kennt uns genau. Er weiß, was wir nötig haben. Er liebt uns mit großer Intensität. Und er erhört gern Gebet. Das gilt ganz grundsätzlich. Mit andern Worten: Gott lässt sich gerne bitten. Und Er antwortet gern auf Gebet.

Folgerichtig ist die Bibel ist auch voll von Ermutigungen zum Bitten und Beten: Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch geöffnet. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird geöffnet. So hat es Jesus unzweideutig formuliert (Die Bibel, Matthäusevangelium 7, 7 – 8). Also, es ist klar:  Jesus höchstpersönlich ermutigt zum Bitten und Beten.

Wie aber kommt es dann, dass viele Menschen so ganz andere Erfahrungen machen: Sie bitten, aber – es kommt scheinbar keine Antwort. Sie beten, vielleicht in großer Not, aber es tritt keine Veränderung ein. Wie kommt das?

Nun, die Gründe können recht verschieden und vielfältig sein, so wie wir Menschen und unsere Lebenswege eben verschieden und vielfältig sind. Aber einen dieser Gründe möchte ich doch herausgreifen, weil er mir besonders wichtig zu sein scheint. Es ist dieser:  Es kann sein, dass Gott ein Gebet in großer Not zunächst nicht erhört,  weil er selbst uns in diese Not geführt hat.

Mit andern Worten: Es kann sein, dass Gott bewusst Not und Krankheit in unserem Leben zulässt. Und dann, wenn das der Fall ist, wird er sie nicht (oder zumindest nicht sofort) wegnehmen, wenn wir ihn bitten, sondern uns zunächst in dieser Not belassen.

Ja, tut Gott denn so etwas? Antwort: Oh ja, Gott tut so etwas!

Der wohl bekannteste kranke Mann der Bibel war ein Mann namens Hiob. Hiob verlor nicht nur seine Familie, sein schönes, großes Anwesen, seine Ländereien und seinen Besitz durch eine Reihe von Unglücksfällen. Er wurde auch noch ein kranker Mann. Er saß am Ende in der Asche seines Hause und schabte sich mit einer Tonscherbe die entsetzlich juckenden Hautausschläge vom Körper. Und wie hat er diese einschneidende Erfahrung kommentiert? Hiob sagte: Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? (Die Bibel, Buch Hiob 2, 10). Und damit ist klar:  Ja, es ist so: Gott führt Menschen manchmal in große Notlagen hinein.

Natürlich stellt sich an dieser Stelle sofort die Frage: Ja, wenn Gott so etwas tut, warum tut er es? Etwa um uns zu strafen und zu quälen, wie viele sofort vermuten? Nein, nicht um uns zu strafen, nicht um uns zu quälen. Er hat andere Gedanken und andere Ziele dabei. Gute Gedanken und gute Ziele!

Ich will versuchen, das näher zu erklären: Die wichtigsten und größten Lektionen lernen wir (leider) nicht auf der Sonnenseite des Lebens, sondern in den Zeiten der Not. Auch Hiob, der kranke Mann lernte die absolut wichtigste Lektion seines Lebens, als er durch tiefste Tiefen ging. Und als die Lektion gelernt war, war er sehr dankbar und ein veränderter Mensch.

Ganz genauso ist es auch heute bei uns. Gott führt uns zuweilen in Notlagen  hinein, damit wir eine bestimmte Lektion lernen, die wir sonst nicht lernen können. Und was ist das für eine Lektion? Nun, es ist die Lektion, dass Gott kein Automat, sondern ein liebender Vater ist, der sich eine persönliche Beziehung zu uns wünscht.

Bitte: Ich möchte niemandem zu nahe treten und auch niemandem etwas unterstellen, aber ich habe doch manchmal den Eindruck, dass viele Menschen Gott als eine Art von himmlischem Automaten ansehen. Je mehr sie aus diesem Automaten herausholen können, umso besser, finden sie.

Das ist wie mit jenem Bankomaten in der mittelitalienischen Stadt Teramo. Der wurde von dem Kassierer der Bank versehentlich falsch aufgefüllt: In die Fächer für die 50. 000 Lire-Scheine legte der Kassierer 100. 000 Lire-Scheine. Kunden, die 50. 000 Lire abheben wollten, bekamen nun 100. 000 Lire heraus, also das Doppelte. Natürlich sprach sich das schnell herum. Und die Leute standen Schlange an dem großzügigen Automaten. Alle wollten so viel wie möglich für sich herausholen.

Nun, ich kann das gut verstehen. Das ist alles sehr menschlich! Richtig kritisch wird es aber, wenn Menschen meinen, bei Gott sei das so ähnlich. Denn ein Automat ist ein unpersönliches Ding. Gott aber ist eine Person. Aus einem Automaten holt man sich was raus und geht seiner Wege.  Gott aber will eine persönliche Beziehung zu uns haben, die unser Leben bestimmt.

Viele Menschen können sich das nicht vorstellen. Sie wollen gar nicht so viel Nähe zu Gott!  Darum beten sie zwar in Zeiten der Not. Aber sie wollen nicht, dass Gott sich in ihr Leben einmischt. Sie wollen keine echte persönliche Beziehung zu ihm. Sie wollen zwar seine Hilfe. Aber sie wollen nicht ihn. Sie wollen, wenn die Not behoben ist, ihr altes Leben (ohne Gott) weiterführen. Sie wollen die alten Gleise ihres Lebens nicht verlassen. Sie wollen auf ihnen weiterrollen. Immer weiter weg von Gott. Und dann staunen sie, wenn Gott da nicht mitmacht. Manche schütteln sogar die Faust gegen ihn und meinen, es sei eben kein Verlass auf ihn. Wie schade!

Denn eigentlich will er uns Vieles geben: Ganz konkrete Hilfe, neue Kraft, neuen Mut, hilfreichen Beistand und manches andere. Vor allem aber will er, dass wir auf „Du und Du“ mit ihm kommen: In eine verbindliche, persönliche Beziehung des Vertrauens. Und in Zeiten der Not und der Krankheit, da entdecken wir das. Da spüren wir das. Wir spüren, wie klein wir Menschen sind, wie begrenzt, wie zerbrechlich. Wir empfinden, wie angewiesen wir sind auf Gott. Und manchmal (wenn wir nicht dichtmachen!) hören wir dann auch, wie er uns leise fragt, ob wir nicht die alten Gleise unseres Lebens verlassen wollen und ganz neu anfangen wollen mit ihm als dem Mittelpunkt unseres Lebens. Oder: Wir hören, wie er uns leise fragt, ob wir ihm unser Leben nicht tiefer und völliger hingeben wollen, damit seine Liebe uns dann auch tiefer treffen und erfüllen kann.

Zeiten der Not und der Krankheit sind darum oft ein Zeichen dafür, dass Gott mit einem Menschen etwas Besonderes vorhat und ihn nun darauf vorbereiten will. Zeiten der Krankheit und der Not sind oft ein Zeichen dafür, dass Gott einen Menschen bereit macht für Neues und Größeres, das er ihm geben will. Zeiten der Krankheit und der Not sind darum immer auch eine Chance. Eine Chance, den eigenen, kleinen, menschlichen Willen in den großen göttlichen Willen hineinzufügen und auf das zu warten, was Gott tut.

Und darum: Wenn Sie gerade in einer Phase der Krankheit, der Schwäche oder der Not sein sollten: Bitte, resignieren Sie nicht! Verbittern Sie auch nicht! Meinen  Sie nicht, Gott habe Sie vergessen oder wolle Sie strafen. Er will etwas anderes: Er will, dass Sie sein Kind werden und mit ihm auf „Du und Du“ kommen. Er will Ihnen neue Wege und neue Horizonte eröffnen und fragt Sie, ob Sie ihm dazu nicht - vielleicht zum ersten Mal - Ihr Leben geben wollen. Oder er fragt Sie, ob Sie ihm nicht Ihr Leben tiefer und völliger und vorbehaltloser zur Verfügung stellen wollen, weil er Neues mit Ihnen vorhat.

Ich möchte Sie auch ermutigen, mit Gott zu reden, also zu beten: In ganz einfachen Worten, wie Sie von Ihrem Herzen kommen. Bitten Sie ihn ruhig um Hilfe in Ihrer Not. Aber sagen Sie ihm auch, dass Sie mehr wollen, als das. Vielleicht sagen Sie ihm einfach, dass Sie ihn kennen lernen wollen. Oder, dass Sie zum ersten Mal fühlen, wie leer Ihr Leben ist ohne ihn. Vielleicht sagen Sie ihm, dass sie sich sehnen nach einem Leben in seiner Geborgenheit, seiner Güte und seinem Frieden. Vielleicht sagen Sie Ihm auch einfach nur: „Vater, Dein Wille geschehe ...!“ Lassen Sie es zu, dass Gott zum Zuge kommen kann bei Ihnen!

Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, und es wird euch geöffnet.