Die Heilung der Bitterkeit

Quelle:  pixabay
Quelle: pixabay

Ein Mann erzählte einem Pastor in einem langen Gespräch von seinem Leben. Er sprach von seiner Arbeitslosigkeit: Zehn Jahre war er arbeitslos. Er erzählte von Bewerbungsgesprächen und wie sie da mit ihm umgegangen waren. Er erzählte von den anderen Bewerbern und wie die gewesen waren und wie er selber gewesen war. Er redete von seiner Frau, von der er sich getrennt hatte. Und aus seinem Mund sprudelte Bitterkeit. Bitterkeit über sein Leben. Bitterkeit über Gott. An irgendeiner Stelle war die Bitterkeit in sein Leben gekommen und sie hatte sein ganzes Leben bitter gemacht.

 

Bitterkeit ist ein verbreitetes Phänomen. Wo sie einmal Fuß gefasst hat, weicht sie nur zögerlich, wenn überhaupt. Und sie ist in der Lage, das Leben von Menschen bis in die Tiefen zu prägen.

In der Regel entsteht Bitterkeit durch erfahrenes Unrecht, das nicht korrigiert werden kann. Und zwar: Durch eine Kette von Unrecht, das nicht korrigiert werden kann! Einzelne Erfahrungen von Unrecht, schütteln wir in  aller Regel ganz gut ab. Das packen wir! Aber eine Kette von Unrecht, die wir erleben und die scheinbar folgenlos bleibt für den, der sie verursachte, die kann Bitterkeit hervorrufen. Wir Menschen reagieren zum Beispiel ausgesprochen sensibel, wenn unsere Würde immer wieder verletzt wird, wenn jemand immer wieder Grenzen nicht respektiert und in unsere Intimsphäre eindringt oder wenn wir immer wieder ausmanövriert oder gedemütigt werden. Wenn so etwas geschieht und immer wieder geschieht und folgenlos bleibt, dann entsteht Bitterkeit.

Sicher, manche Anlässe von Bitterkeit kann man durch klärende Gespräche ausräumen. Man kann mit demjenigen sprechen, der die Bitterkeit verursacht hat und so eine Klärung herbeiführen. Prima, wenn das geht!  Aber leider geht es nicht immer! Und manchmal helfen auch Anwälte und Gerichte nichts! Und immer, wo das so ist, hat die Bitterkeit den Fuß in der Tür:

Bitterkeit entsteht immer durch eine Kette von Unrecht, und sie hat eine markante und höchst fatale Eigenschaft: Sie ruht nicht. Wo sie einmal Fuß gefasst hat, dringt sie langsam vor, Schicht um Schicht. Sie infiziert weitere und immer weitere Lebensbereiche und lässt auch sie bitter werden. Bitterkeit beschränkt sich also nicht auf den Bereich des Lebens, wo sie einmal entstand. Oh nein, sie breitet sich aus! Und wenn es schlecht läuft, kann sie ein ganzes Leben bitter machen. Und ein bitter gewordenes Leben, das ist etwas ganz Übles. Es macht die Leute tiefunglücklich, manchmal auch krank.

Nun ist es so: Wer eine Bitterkeit im Herzen trägt, möchte darüber sprechen. Das ist ganz natürlich und sehr verständlich! Er möchte drüber reden, damit die Last leichter wird. Bitter gewordene Menschen haben darum ein sehr berechtigtes Bedürfnis, verstanden zu werden in ihrer Bitterkeit. Und da wo sie auf ein offenes Ohr und ein hörbereites Herz treffen, da gehen in aller Regel nur zu bald die Schleusen auf und dann sprudelt die Bitterkeit hervor.

Und an exakt dieser Stelle wird nun das abgründige Geheimnis der Bitterkeit sichtbar: Die Bitterkeit wird nämlich tiefer und schlimmer, je mehr wir über sie sprechen. Zunächst stellt sich zwar ein Gefühl der Befreiung und Entlastung ein. Aber dies Gefühl bleibt nicht lange! Die Belastung kommt zurück und wird schwerer. Je mehr man also die eigene Bitterkeit rauslässt (artikuliert), umso tiefer wurzelt sie ein, umso stärker wird sie, umso mehr durchdringt sie das ganze Leben. Ein ganz übler Teufelskreis ist das!

Aber was ist die Alternative? Schweigen, alles wegbunkern und in sich verschließen? Das geht auch nicht! Kein Mensch hält das aus auf Dauer! Was also kann man tun, um mit der Bitterkeit fertigzuwerden? Ich kenne nur einen wirklich gangbaren Weg: Wir müssen die Angelegenheit, die uns bitter gemacht hat, aus unsern Händen geben, sie in Gottes Hände legen und sie zu einhundert Prozent dort lassen. In der Bibel gibt es einen interessanten Satz, wo es genau darum geht. Dort heißt es (Römerbrief 12, 19): "Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5.Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.«"

Wer bitter ist, will zutiefst Vergeltung. Das ist ganz einfach und sehr verständlich. Und die Bibel sagt mit keinem Wort, dass dieser Wunsch falsch oder unangemessen wäre. Sie will also nicht, dass wir einfach pauschal auf unser Recht verzichten. Aber sie will, dass wir Gott als unserem Anwalt die Sorge für unser Recht übertragen, und zwar zu einhundert Prozent, wenn wir anders nicht an unser Recht kommen können.

Vielen fällt dieser Schritt sehr schwer. Sie argwöhnen vielleicht, dass Gott sich nicht wirklich um ihr Recht kümmern wird. Manche trauen es ihm vielleicht auch nicht zu, dass er konkret in ihr Leben eingreifen könnte. Und wieder andere meinen, dass ihr Recht nur bei ihnen allein gut aufgehoben ist. Aber das ist falsch! Gott wird sich der Sache annehmen, die uns bitter gemacht hat. Er wird das auf Seine eigene, souveräne Art und Weise tun. Und wir werden staunen! Und er wird uns darüber hinaus segnen (also uns Gutes tun), einfach weil wir bereit waren, ihm zu vertrauen, auf eigene Vergeltung zu verzichten und sie ihm zu überlassen.

Wer seine Bitterkeit loswerden will, ist gut beraten, die Bitterkeit selbst und ihren Anlass in Gottes Hände zu legen. Aber wie sieht das praktisch aus? Wenn wir entdecken, dass wir mit Bitterkeit im Leben zu kämpfen haben, dann ist zunächst nur eines dran: Das vertraute Gespräch mit dem Vater im Himmel. Zum Beispiel so:

„Lieber himmlischer Vater, ich komme heute zu Dir mit soviel Bitterkeit. Du weißt, welches Unrecht mir geschehen ist. Du weißt, dass ich vergeblich versucht habe, zu meinem Recht zu kommen. Du weißt, wie weh mir das alles tut. Du siehst auch meine Wut über soviel Gemeinheit. Herr, darum komme ich jetzt zu Dir, und ich gebe Dir all meine Bitterkeit. Ich gebe Dir auch alles, was diese Bitterkeit verursacht hat. Und ich bitte Dich: Nimm Du Dich dieser Sache an! Ich lasse sie jetzt los. Ich lasse sie bei Dir! Sei Du der Richter zwischen meinem Widersacher und mir! Ich weiß, dass Du gerecht richtest. Danke, dass du mich siehst und liebhast. Danke, dass Du auch meinen Widersacher siehst. Danke, dass alles gut wird, was in Deine Hände kommt. Ich warte auf das, was Du tust. Bitte handele bald!“

So – oder so ähnlich – können wir mit Gott sprechen. Und wenn später wieder bittere Gedanken in uns aufsteigen, dann sprechen wir wieder mit ihm und lassen die Bitterkeit wieder los! Immer wieder! Nach gar nicht langer Zeit wird die Bitterkeit aus unserem Leben verschwinden. Wir merken, dass wir frei werden und dass unsere Beziehung zu Gott sich vertieft und intensiviert hat. Wir werden auch erleben, dass Gott sich konkret unserer Sache annehmen wird: Entweder lässt er aus dem Unrecht, das uns widerfahren ist, Gutes für uns kommen. Das ist eine Möglichkeit! Oder er deckt auf überraschende Weise auf, dass uns wirklich Unrecht geschehen ist. Oder er tröstet uns auf eine andere Weise, die uns guttut. Auf jeden Fall aber wird er zu seiner Zeit handeln! An uns ist es nur, das Vertrauen zu ihm zu bewähren und die Bitterkeit und ihren Anlass wirklich bei ihm zu lassen.

Bitterkeit kommt häufig vor. Ein Schicksal ist sie aber nicht! Wer es wagt, die Vergeltung Gott zu überlassen, kann frei werden von ihr.