Wer über den Anfang spricht, setzt seinen Fuß auf gefährliches Land. Wer konkrete, fassbare, stichhaltige Aussagen über den Anfang der Welt macht, kann nicht unbedingt damit rechnen, bereitwillig und mit offenen Armen aufgenommen und gehört zu werden. Im Gegenteil: Er muss auch mit Gegenwehr rechnen.
Warum ist das so?
Weil der, der vom Anfang redet, immer auch vom Ende spricht. Alles, was einen konkreten, fassbaren, womöglich sogar zeitlich datierbaren Anfang hat, wird - zu gegebener Zeit - auch ein ebenso konkretes, fassbares und zeitlich datierbares Ende finden. Und an das Ende werden wir Menschen nicht gern erinnert: Wenn unser Planet einen konkreten, fassbaren und zeitlich datierbaren Anfang hat, dann wird auch sein Ende fassbar und konkret sein. Wenn der Anfang unserer Welt aus dem Dunkel ins Licht rückt, dann leuchtet auch schon die Tatsache auf, dass es ein Ende geben wird. Dann können wir nicht mehr so tun, als wäre dieser Planet ewig. Dann können wir nicht mehr der Illusion anhängen, dass es ihn irgendwie immer geben wird. Es ist dann klar, dass ein Ende kommt. Wenn fassbar wird, wie und wann und unter welchen Umständen unsere Erde entstanden ist, dann wird in Umrissen auch das Ende klar. Und dann wird sofort alles verbindlich. Wir wissen dann, dass die Zeit dieses Planeten begrenzt ist. Und dann stehen sofort viele beunruhigende Fragen auf: Wozu sind wir da auf dieser Erde? Was ist unsere Aufgabe? Wie nutzen wir die Zeit richtig, die uns noch bleibt zwischen Anfang und Ende? Wer sind wir selbst? Und wieviel Zeit bleibt uns noch?
Wenn der Anfang unserer Welt klar ist, wird sofort alles verbindlich: Weil mit dem Anfang auch das Ende in den Blick kommt und damit auch die Frage nach dem Sinn unseres Daseins.
Wer vom Anfang redet, setzt seinen Fuß auf gefährliches Land: Er zwingt die Menschen, sich der Tatsache zu stellen, dass alles, was einen Anfang hat, auch ein Ende findet. Er zwingt die Menschen, ihrer eigenen Endlichkeit und Zerbrechlichkeit ins Auge zu sehen. Er zwingt sie hinein in die Verbindlichkeit. Er zwingt sie hinein in die Frage: Was können, ja, was müssen wir tun: Wir, die wir zwischen Anfang und Ende stehen? Was ist richtig? Was ist falsch? Was ist der Sinn?
Und darum wird man ihm widersprechen! Nicht weil seine Aussagen falsch wären oder schlecht begründet. Sondern: Weil man der eigenen Endlichkeit nicht ins Auge sehen will. Und der Verantwortung, wie wir mit der Restzeit umgehen wollen, die uns noch bleibt.
Der Schöpfungsbericht der Bibel spricht über den Anfang. Er spricht vom Anfang unserer Erde und des uns umgebenden Universums. Und er tut das so kompromisslos und direkt, dass es einem den Atem verschlägt. Der Schöpfungsbericht, so wie er uns in den ersten zwei Kapiteln des 1. Buch Mose vorliegt, präsentiert uns den Anfang. Er sagt uns, wie und durch wen und unter welchen Umständen unsere Erde entstanden ist. Er zwingt uns die Tatsache auf, dass das, was einen konkreten Anfang hatte, auch ein ebensolches Ende finden wird. Er zwingt uns hinein in die Frage, was wir tun wollen mit der Zeit, die uns noch bleibt auf unserem endlichen Planeten. Ruhig und klar, aber auch ohne uns irgendeine Ausweichmöglichkeit zu lassen, zwingt uns der Schöpfungsbericht, Position zu beziehen: Wer wir sind ... Was wir sollen ... Was richtig ist und falsch.
Und darum wird diesem Bericht widersprochen! Seit Jahrhunderten! Und das nicht, weil seine Aussagen widersprüchlich, falsch oder schlecht zu begründen wären, sondern weil er uns Menschen in die Verbindlichkeit vor unserem Schöpfer zwingt. Und das - ist vielen unerträglich, weil sie auf stiller Flucht sind vor ihrem Schöpfer.
Die Lehre von der zufälligen Entstehung und Entwicklung der Arten (die sogenannte Evolutionslehre) und auch die Theorie vom Urknall rechnen in Millionen, Milliarden von Jahren. Das sind für uns völlig unfassbare Zeiträume. Und sie bewirken vor allem eines: Sie bewirken, dass der Anfang der Welt und des uns umgebenden Universums verdämmert und verschwindet in der Unermesslichkeit unfassbarer Zeiträume.
Dass heute die Lehre vom Urknall und der Evolution so leicht und von vielen meist völlig ungeprüft angenommen werden, hängt auch - und nicht zum geringsten Teil - damit zusammen, dass sie uns den Anfang vom Leib halten. Sie rücken den Anfang weit von uns fort. Unermesslich weit. Sie nähren in uns die Illusion, es sei alles seit Ewigkeiten immer schon so gewesen und werde auch in Ewigkeiten so weitergehen. Die unermesslichen Zeiträume der Evolutions- und Urknalltheorie halten uns den Anfang vom Leib. Sie wiegen uns in der Illusion, wir hätten schier endlos Zeit zur Verfügung. Sie entlasten uns von der Aufgabe, Position zu beziehen. Sie entlasten uns von der Herausforderung, Antwort zu geben auf die Frage, wer wir sind, wozu wir hier leben und was unsere Aufgabe ist. Sie machen alles unverbindlich. Sie sind ein Faustpfand für viele Menschen, die auf stiller Flucht sind vor ihrem Schöpfer.
Die Argumente, die heute von wissenschaftlicher Seite gegen die Urknall- und dann besonders gegen die Evolutionstheorie vorgetragen werden, sind gewichtig und halten einer kritischen Überprüfung ohne weiteres stand. Trotzdem werden sie in der Öffentlichkeit oft als abwegige Meinung einer Minderheit abgetan und bekommen oft kurzerhand den Ketzerhut der "Unwissenschaftlichkeit" übergestülpt. Die Schärfe der Auseinandersetzung zeigt, dass es um mehr geht, als um wissenschaftliche Detailfragen. Allen Beteiligten ist klar: Wenn der Schöpfungsbericht der Bibel wahr ist, dann geht es um viel mehr, als nur um naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Dann ist das Zentrum unseres Lebens betroffen: wenn der Schöpfungsbericht der Bibel wahr ist, dann stehen wir urplötzlich vor unserem Schöpfer. Dann wird alles verbindlich, und wir können nicht mehr ausweichen.
Der Schöpfungsbericht der Bibel besteht aus zwei Teilen. Er berührt mit seinen Aussagen verschiedene Bereiche. Er macht Aussagen über die Natur, über den Menschen und über Gott. Und alle Aussagen gehören zusammen. Durchdringen und ergänzen einander. Sie bilden ein harmonisches Ganzes, und sie sind alle gleichermaßen wahr.
"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde ..." (Die Bibel, 1. Buch Mose 1,1) Dieser erste Satz der Bibel hat eine Botschaft. Er lehrt eine Lektion. Er macht eine Aussage, und die lautet: Gott ist souverän! Die erste und absolut grundlegende Aussage über Gott, die die Bibel präsentiert, ist diese eine: Gott ist souverän! Alles, was die Bibel uns zu sagen hat - und das ist nicht wenig - baut auf dieser allerersten grundlegenden Feststellung auf: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde ..." Gott ist souverän!
Und das heißt: Gott setzt einen Anfang. Er setzt den Anfang des Universums. Er setzt den Anfang der Erde. Er setzt den Anfang des Lebens. Er setzt den Anfang der Zeit. Gott ist souverän. So souverän, dass er einen Anfang setzen kann. Nur er selbst ist vor dem Anfang. - Das gigantische Universum: Es hat einen Anfang. Die Bahnen der Planeten, die Kräfte und Gesetze des Alls, das faszinierende Geheimnis des Lebens und das Wunderwerk "Mensch", all das hat einen Anfang. Aber Gott ist vor dem Anfang. Er ist Gott, der den Anfang von etwas ganz Neuem setzt. Wir Menschen können niemals etwas ganz Neues schaffen: Wir können nur Vorgegebenes bearbeiten und verändern. Aber wir bleiben immer abhängig von ganz vielen Dingen: Von der Erde, auf der wir leben. Von den Naturgesetzen, denen wir unterworfen sind. Von unsere Organismus, unserem Erbgut, unseren Prägungen und Grenzen. Wir sind abhängig von sehr vielen Dingen. Wir können nur Vorhandenes gestalten. Wir haben den Anfang immer schon hinter uns.
Nur Gott ist souverän. Er - ist vor dem Anfang. Er schuf die Welt, die unser Zuhause ist, aus dem Nichts! Und gleich das erste Tätigkeitswort, mit dem die Bibel das Tun Gottes beschreibt, führt uns das deutlich vor Augen: "Am Anfang schuf Gott ..." Und für das Wort "schaffen" steht im Hebräischen ein Wort, das heißt bara. Und dieses Wort ist in der ganzen Bibel ausschließlich für Gott reserviert: Es sagt aus, dass Gott aus dem Nichts Neues schafft.
"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde ..." Aber er selbst - Gott, der Schöpfer ist vor dem Anfang. Er ist souverän!
Nun ist eines auffällig: Die Bibel stellt diese Tatsache einfach fest. Sie diskutiert sie nicht. Sie rechtfertigt und begründet sie auch nicht. Sondern: Sie benennt diese Tatsache einfach. Und das - ist nicht nur im 1. Buch Mose 1, 1 so, sondern das ist auch sonst in der Bibel so (Die Bibel, Römerbrief 4, 17 / Hebräerbrief 11, 3)
Die Bibel stellt einfach fest, dass nur Gott, nicht aber die Materie ewig ist. Die Materie hat einen Anfang. Gott hat ihren Anfang gesetzt. Aber Gott selbst ist vor dem Anfang und ohne Anfang. Und mit dieser Sicht der Dinge steht die Bibel ganz allein da. Ganz allein auf weiter Flur.
Wer auch nur einen flüchtigen Blick auf die verschiedenen Weltentstehungsgeschichten vergangener Jahrtausende wirft, stellt sofort eines fest: Sie setzen alle voraus, dass die Materie ewig ist. Sie wird dann von den Göttern bearbeitet und gestaltet, aber sie selbst ist immer schon vorhanden.
In einer babylonischen Schöpfungserzählung heißt es (zit. nach Delitzsch, Genesis, S. 39f):
Es gab eine Zeit, in welcher Finsternis und Wasser war und darin monströse Wesen lebten, über welche eine Frau Homorrha herrschte ... Da kam Bel (ein Gott), spaltete die Frau mitten entzwei, machte aus der einen Hälfte den Himmel, aus der anderen die Erde und ordnete das Weltganze, wobei die monströsen Wesen, welche die Macht des Lichts nicht ertrugen, untergingen. Als aber Bel das Land unbewohnt und unfruchtbar sah, befahl er einem der Götter, ihm den Kopf abzuschneiden, mit dem herabfließenden Blut die Erde zu vermengen und Menschen und Tiere zu bilden, fähig das Licht zu ertragen ...
Es wird deutlich: Die Schöpfungsgeschichten der Antike sind nicht nur weit entfernt von der Nüchternheit und Klarheit des biblischen Schöpfungsberichtes. Sondern: Sie setzen auch die Existenz der Materie voraus. Sie geben der Materie Ewigkeitsqualitäten.
Und ganz genauso ist es heute auch! Die Mehrheit der Naturwissenschaftler heute ist der Meinung, dass die Materie allein ewig sei. Sie geben - wie die antiken Schöpfungsgeschichten - der Materie Ewigkeitsqualität. Ja mehr noch: Sie schreiben der Materie geradezu göttliche Fähigkeiten zu: Sie gehen davon aus, dass es sie immer schon gab, dass sie in einem Urknall explodierte, die geordneten Bahnen der Planeten und Sonnen hervorbrachte, sowie auf der Erde eine unvorstellbare Vielfalt des Lebens entstehen ließ. Das heißt: Nach dem Urteil vieler Naturwissenschaftler hat die Materie die Eigenschaft (unter geeigneten Bedingungen) hochkomplizierte Lebewesen entstehen zu lassen. Sie schreiben der Materie göttliche Fähigkeiten zu. Dass das keineswegs glaubhaft ist, werden wir nachher gleich noch sehen. Halten wir an dieser Stelle fest: Jeder Mensch muss entscheiden, ob für ihn die Materie ewig ist oder Gott. Jeder Mensch muss entscheiden, ob die Materie ewig ist oder Gott. Jeder Mensch muss entscheiden, wem er glaubt: Dem Glaubensbekenntnis der derzeitigen Mehrheit der Naturwissenschaftler, die der Materie ewige und quasi göttliche Fähigkeiten zuschreiben. Oder der Bibel, die eindeutig feststellt, dass die Materie einen Anfang hat, der von Gott gesetzt wurde, und das Gott allein ewig ist. Die Bibel sagt, dass das die einzig überzeugende und logische Erklärung für die Existenz und die Ordnung des Alls und für die Vielfalt des Lebens allein Gott ist. Sie sagt, dass unsere Welt, die aus Materie, Raum und Zeit besteht, einen konkreten Anfang hat, den Gott gesetzt hat. Nur er ist souverän. Nichts sonst!
Und die Bibel belässt es nicht dabei, diese Tatsache bloß festzustellen. Sie zieht auch sofort eine ganz wichtige Folgerung daraus. Sie sagt: Wenn Gott den Anfang alles Bestehenden gesetzt hat, dann kann es für mich als Mensch nur eine Konsequenz geben: Ich muss mich ihm unterordnen. Ich muss ihm gehören wollen. Ich muss seine Souveränität und seine Überlegenheit anerkennen! Ich muss ihn als den lebendigen Gott ehren und fürchten und anbeten.
Psalm 95, 3 - 6 formuliert das so: „Denn ein mächtiger Gott ist der Herr, ein großer König über alle Götter. Ihm gehören die Tiefen der Erde, die Höhen der Berge sind ebenfalls sein. Sein ist das Meer, denn er hat es gemacht, und das Festland ist von seinen Händen geformt. Kommt, lasst uns anbeten, uns beugen vor ihm! Lasst uns vor Jahwe knien, der uns erschuf!“
Und dann geht die Bibel noch einen Schritt weiter! Sie sagt: Gott hat den Anfang alles Bestehenden gesetzt. Er hat souverän alles Bestehende geschaffen. Und darum gilt: Vor Gott gibt es nichts, was verborgen, undurchdringlich oder rätselhaft wäre. Vor seinem Blick liegt alles klar und offen da: Nicht nur das Universum, die Erde und die Naturgesetze, die alles im Gleichgewicht halten. Nicht nur die unsichtbaren Atome und die in ihnen gebundenen Kräfte. Nicht nur die biologischen Mechanismen und die Funktionsweise der Lebewesen, sondern auch jede Einzelheit meines Lebens, jede Einzelheit meiner Gedanken und meines Lebensweges: Es liegt alles offen da vor Gott. Er ist der souveräne Schöpfer der Welt.
Die Bibel stellt unumwunden fest (Hebräerbrief 4, 13): "Vor Gott ist nichts verborgen. Alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen da, vor dem wir Rechenschaft ablegen müssen."
Und darum kann es nichts Verborgenes vor Gott geben. Sein Blick geht immer durch bis ins Herz der Dinge. Und darum ist jede Flucht vor ihm nicht nur unnötig, sondern auch unmöglich! Vor dem Schöpfer der Welt kann es keine Verborgenheit geben.
(Fortsetzung folgt)
Was würden Sie von folgendem kurzen Zeitungsbericht halten: „Im Ochotskischen Meer nahe bei der Insel Sachalin – so ist da zu lesen – ist eine Kuh vom Himmel gefallen. Sie versenkte ein japanisches Fischerboot.“
Tja, was würden Sie von dieser Zeitungsnotiz halten? Würden Sie sie akzeptieren oder wären Sie eher skeptisch? Kann das denn sein – so würden Sie vielleicht überlegen – dass ausgerechnet eine Kuh vom Himmel fällt und dann auch noch ein Fischerboot trifft und versenkt? Klingt das nicht eher wie eine ziemlich dreiste Zeitungs-Ente?
Nun, die Zeitungsredaktion war so freundlich, ihre Leser einen Blick hinter die Kulissen tun zu lassen. Sie lieferte nämlich die Erklärung für dieses – in der Tat außergewöhnliche – Ereignis mit: „Russische Soldaten“ - so erklärte die Zeitung – „hatten in Sibirien eine Herde Kühe gestohlen und schafften diese anschließend mit einem Transportflugzeug weg. Die Soldaten versäumten es jedoch, die Kühe im Flugzeug anzubinden. Als die Kühe im Bauch der Maschine unruhig wurden, wurde auch das Flugzeug instabil und drohte abzustürzen. Die diebische Besatzung hatte keine andere Wahl, als die Tiere durch die große Heckklappe hinaus zutreiben. Dabei fiel eine der Kühe auf das japanische Fischerboot, das dem Aufprall nicht standhielt und sank.“
Viele, die sich mit den Berichten
der Evangelien über Jesus beschäftigen, würden auch ganz gern einmal einen Blick hinter die Kulissen tun. Sie fragen: Wie sind eigentlich die Berichte über Jesus in der Bibel entstanden? Kann man
diese Berichte als reale Berichte über reale Ereignisse ernst nehmen oder sind das nur Glaubensgeschichten, also fromme Erfindungen, die zwar gut gemeint sind, aber eben nicht auf reale
Ereignisse zurückgehen? Wie steht es?
Einige markante Sätze aus dem Lukasevangelium antworten auf genau diese Fragen! Sie gestatten einen Blick hinter die Kulissen tun. Sie erklären in aller wünschenswerten Genauigkeit, was es mit den Berichten über Jesus im Neuen Testament auf sich hat und wie sie entstanden sind.
Die Bibel, Lukasevangelium 1, 1 – 4:
Schon viele haben sich darangesetzt, einen Bericht über die Ereignisse zu schreiben, die bei uns geschehen sind und die wir von denen erfahren haben, die von Anfang an als Augenzeugen dabei waren und dann den Auftrag erhielten, die Botschaft weiterzusagen. Nun habe auch ich mich dazu entschlossen, allem von Anfang an sorgfältig nachzugehen und es für dich, verehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Dinge überzeugen, in denen du unterwiesen worden bist.
Hier werden Ross und Reiter beim Namen genannt: Lukas, der dritte Evangelist im Neuen Testament legt offen, wie er an das Material gekommen ist, dass er in seinem Bericht über Jesus (dem Lukasevangelium) verwendet. Und das schauen wir uns jetzt genau an. Er benennt glaubwürdige Augenzeugen.
Die Bibel, Lukasevangelium 1, 1 – 2: Schon viele haben sich darangesetzt, einen Bericht über die Ereignisse zu schreiben, die bei uns geschehen sind und die wir von denen erfahren haben, die von Anfang an als Augenzeugen dabei waren ...
Ich weiß nicht, ob Sie sich schon mal gefragt haben, was die Jünger Jesu eigentlich damals so den ganzen Tag gemacht haben, als sie mit Jesus unterwegs waren. Wie haben sie ihren Tag gefüllt? Was haben sie unternommen? Was waren ihre wichtigsten Tätigkeiten?
Natürlich sind sie vor allem viel unterwegs gewesen mit Jesus. Sie haben das Land Israel von Norden nach Süden durchquert und umgekehrt. Sie haben gegessen und geschlafen. Sie haben alltägliche Dinge wie einkaufen und Quartiersuche bewältigt. Sie waren sicher auch dabei, wenn Jesus lehrte und predigte oder sich um Menschen kümmerte, die mit besonderen Anliegen zu ihm kamen. Mit einem Wort: Sie waren Augenzeugen. Die Jünger Jesu waren Augenzeugen. Sie waren diejenigen, die alles, was um Jesus herum passierte, genau mitbekamen und die darum auch darüber glaubwürdig und Auskunft geben konnten. Und genau diese Augenzeugen – so schreibt Lukas hier - die hat er befragt. Lukas hat sich mit denen zusammengesetzt, die von Anfang an als Augenzeugen dabei waren.
Und das wollen wir sofort festhalten: Die Berichte über Jesus gehen auf die Aussagen von Augenzeugen zurück! Und jetzt schauen wir uns diese Augenzeugen mal etwas näher an. Sie werden gleich merken, dass diese Augenzeugen in besonderer Weise trainiert waren und darum auch besonders glaubwürdige Augenzeugen sind.
Dazu muss man wissen: Die Jünger haben damals etwas getan, das jeden Tag eine ganze Menge Zeit beansprucht hat. Etwas, mit dem sie von Kindheit an wohlvertraut gewesen sein dürften. Etwas, das unter jungen Menschen heute eher wenig verbreitet und noch viel weniger beliebt ist: Und das war - Auswendiglernen. Die Jünger Jesu haben auswendiggelernt. Das klingt ungewöhnlich, ist es aber in Wirklichkeit nicht.
Dazu muss man weiter wissen: Jesus entsprach in seinem Verhalten und Auftreten in der Öffentlichkeit sehr weitgehend den jüdischen Lehrern damals, den sogenannten „Rabbinern“. Jesus wurde sowohl von seinen Jüngern, als auch von Außenstehenden ganz spontan und automatisch als „Rabbi“ bzw. als „didaskale“ („Lehrer“) angeredet. Und: Er setzte sich – wie alle Rabbiner – zum Lehren hin. Wir machen das heute genau anders herum: Wir stehen zum Lehren auf und treten ans Vortragspult. Bei den Rabbinern damals war es anders: Sie nahmen zum Lehren Platz. Und Jesus handhabte das genauso (Die Bibel, Matthäusevangelium 5, 1 – 2 / Lk 4, 20 – 21). Er lehrte seine Jünger wie die Rabbiner damals. Und die jüdischen Rabbiner, die hatten nun eine ganz besondere Lehrmethode damals: Die ließen ihre Schüler auswendig lernen.
Wie lehrten die Rabbiner? Und welche Hilfsmittel setzten sie dabei ein? Nun, die Rabbiner fassten ihre Lehren grundsätzlich in kurze, einprägsame Sätze, die man leicht behalten konnte. Ein Rabbiner formulierte es damals so: „Stets lehre man seinen Schüler die kürzeste Fassung.“
Weiter: Lehrstoffe, die inhaltlich zusammengehörten, wurden durch Stichworte verbunden. So konnte man sie besser behalten. Auch einprägsame Bildworte kamen zum Einsatz und dazu noch manches andere. So wurde das Auswendiglernen erleichtert und gefördert. Die Rabbiner wiederholten nun ihre Lehrsätze solange, bis ihre Schüler sie alle fehlerlos wiedergeben konnten.
Jesus hat das auch so gemacht! Er hat seine Lehrstoffe ganz ähnlich gestaltet wie die Rabbiner. Und er hat das getan, um seinen Jüngern (wie die Rabbiner) das Auswendiglernen leicht zu machen! Rein praktisch müssen Sie sich das so vorstellen, dass Jesus seinen Jüngern die Inhalte seiner Lehre immer wieder vorgesprochen hat. Die Jünger haben sie gehört, aufgenommen und selbst laut wiederholt, bis sie sie fehlerlos wiedergeben konnten.
Jesus hat seinen Jüngern übrigens auch kurze Zusammenfassungen von besonderen Begegnungen mit Menschen beigebracht und – in gleicher Weise - auch Kurzfassungen seiner Wundertaten.
Und nun ist es so: Die Jünger hatten ein sehr starkes Motiv, alle diese Worte Jesu genau aufzunehmen und zu behalten: Sie wussten nämlich, dass Jesus nicht nur ein Rabbiner unter vielen war. Oh nein! Sie wussten, dass Jesus der Messias und der Sohn Gottes war. Und das heißt: Jedes seiner Worte war von unersetzlichem Wert für sie. Sie werden darum alles darangesetzt haben, um das, was Jesus sagte und tat, zuverlässig zu bewahren.
Natürlich stellt sich an dieser Stelle sofort eine Frage: Wie viel konnten die Jünger auf Dauer von dem behalten, was Jesus ihnen vorsprach? Und wo setzte das Vergessen ein?
Nun, bei der Beantwortung dieser Frage muss man berücksichtigen, dass die Jünger (wie alle Menschen damals) ein leistungsfähigeres Gedächtnis besaßen, als das heute zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Fall ist. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Menschen damals ungleich stärker auf ihr Gedächtnis angewiesen waren! Nicht alle konnten lesen und schreiben! Dazu waren Papier und Schreibgeräte auch unverhältnismäßig viel teurer als heute. Das Gedächtnis spielte im Alltag also eine viel größere Rolle als bei uns heute im Zeitalter der PC´s, Notebooks und Terminkalender.
Aber, fragen wir noch einmal: Wie viel konnten die Jünger auf Dauer von dem behalten, was Jesus ihnen vorsprach? Und wann setzte das Vergessen ein?
Nun, wir wissen, dass zum Beispiel ein Rabbiner namens Me´ir alle Fünf Bücher Mose und die Propheten im Gedächtnis hatte und sie geordnet wiedergeben konnte. Und er stand mit diesen Fähigkeiten unter den Rabbinern keineswegs allein! Aus der koptischen (also der ägyptischen Kirche) wissen wir, dass jemand, der damals Diakon werden wollte, mindestens ein Evangelium auswendig können musste. Das klingt wie eine echte Herausforderung. Aber nehmen Sie nur mal zum Vergleich heutige irische Folk-Sänger: Die können Lieder und Gedichte mit einem Umfang von insgesamt 100.000 Wörtern präzise wiedergeben. Dagegen beträgt zum Beispiel der Umfang unseres Markus-Evangeliums „nur“ etwa 11. 000 Wörter.
Also: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Jünger nach immerhin
jahrelangem Training durch Jesus sehr wohl in der Lage waren, Texte, die Jesus sie lehrte, präzise zu erinnern und wortgetreu wiederzugeben. Und damit ist klar: Die Jünger Jesu waren nicht nur
Augenzeugen für alles, was um Jesus herum passierte! Sondern: Sie haben bei Jesus auch ein intensives Lernprogramm absolviert, dass sie in die Lage versetzte, die Worte und Taten Jesu zuverlässig
und detailgenau wiederzugeben. Und mit diesen Jüngern nun hat Lukas gesprochen und sich bei ihnen das Material für seinen Jesus-Bericht im Lukasevangelium geholt. Und das heißt: Die Evangelien in
der Bibel informieren uns genau und verlässlich über das, was Jesus tatsächlich gesprochen und getan hat.
Wie ist es nun aber weitergegangen mit den Jüngern Jesu, nachdem Jesus nach seiner Auferstehung in die Welt seines himmlischen Vaters zurückgekehrt war? Nun, die Berichte der Bibel (Apostelgeschichte) verraten es uns: Nach Tod und Auferstehung Jesu, sowie seinem Weggang in die unsichtbare Welt Gottes ist es in Jerusalem zur Bildung der ersten Gemeinde gekommen (Apostelgeschichte 1, 12 – 14).
Noch einmal die Bibel, Lukasevangelium 1, 1 – 2: Schon viele haben sich darangesetzt, einen Bericht über die Ereignisse zu schreiben, die bei uns geschehen sind und die wir von denen erfahren haben, die von Anfang an als Augenzeugen dabei waren und dann den Auftrag erhielten, die Botschaft weiterzusagen.
Die zwölf Apostel haben dort in den ersten Jahren vor allem zwei Aufgaben wahrgenommen, nämlich Fürbitte (Die Bibel, Apostelgeschichte 1, 14) und Lehren (Die Bibel, Apostelgeschichte 6, 4). Sie wurden zu Botschaftern des Evangeliums von Jesus. Sie hatten den Auftrag die Botschaft weiterzusagen, wie schreibt.
Und nun müssen Sie sich das vorstellen: Die erste Gemeinde in Jerusalem ist in sehr kurzer Zeit auf über fünftausend Mitglieder angewachsen (Die Bibel, Apostelgeschichte 2, 41 / 4, 4 / 6, 7). All diese neu bekehrten Christen brauchten natürlich handfeste Informationen über Jesus, denn sie lebten ja in Jerusalem in einer Umgebung, die den Christen eher feindlich und ablehnend gegenüberstand. Sie lebten also gewissermaßen mitten im Wespennest! Um nun diesem äußeren Druck standhalten zu können, brauchten all diese neuen Christen fundierte Informationen über Jesus und seine Lehre. Und diese Informationen haben die Apostel ihnen tagaus, tagein gegeben. Das heißt: Von Anfang an haben sich die Jünger Jesu, die „Apostel“ (Apostel bedeutet „Botschafter“) in der ersten Gemeinde in Jerusalem über Jesus informiert. Sie haben die Leute gelehrt. Das war ihr Tagwerk! Und was haben sie all den vielen neuen Christen beigebracht: Sie haben ihnen Informationen über Jesus gegeben: Augenzeugeninformationen.
Und das ist jetzt ein wichtiger Punkt: Die Apostel haben Tag für Tag in der ersten Gemeinde in Jerusalem öffentlich über Jesus und sein Leben gelehrt. Nichts liegt näher, als dass sie sich dabei auch untereinander abgesprochen haben: Wie präsentieren wir die Informationen über Jesus? Wo fangen wir an? Wo hören wir auf? Was nehmen wir hinein? Was lassen wir weg? Wie bauen wir unseren Unterricht auf, damit er möglichst effektiv ist? Diese Fragen mussten geklärt werden. Denn: Die Apostel konnten unmöglich alles, was sie wussten, präsentieren. Das wäre völlig uferlos gewesen (Die Bibel, Johannesevangelium 21, 25). Sie mussten sich auf das Wesentliche konzentrieren. Und so kam es aller Wahrscheinlichkeit nach zu verschiedenen Absprachen: Die Apostel einigten sich zum Beispiel darauf, vor allem die letzten entscheidenden Phasen im Leben Jesu darzustellen: Also seine Tätigkeit in Galiläa, den Weg nach Jerusalem, sein Wirken dort und dann seine Kreuzigung und Auferstehung. So erklärt sich der gemeinsame Aufriss der Evangelien.
Wahrscheinlich ist auch, dass die Apostel in diesen ersten Jahren festlegten, welche Berichte über Lehre und Leben Jesu vordringlich und auf jeden Fall gelehrt werden sollten. Das waren die Berichte über Taten Jesu, wichtige Lehrinhalte Jesu und die Berichte über sein Leiden und Sterben und seine Auferstehung. Und die tauchen dann folgerichtig auch in allen Evangelien auf!
Also: Die Apostel wurden zu: Und zwar zu sehr fähigen Botschaftern. Bei Jesus waren sie Lernende gewesen. Jetzt wurden sie zu Botschaftern. Aber in allem blieben sie das, was sie von Anfang an gewesen waren: Augenzeugen, die ihre Aussage machten.
Natürlich ist die erste christliche Gemeinde in Jerusalem damals
nicht die einzige geblieben. Die Berichte der Apostelgeschichte informieren uns darüber, dass von Jerusalem aus eine rasante Gemeindegründungsbewegung in Gang kam, die über Samarien und Syrien
schließlich auch Kleinasien (heutige Türkei) und Griechenland und am Ende sogar die Stadt Rom erreichte. Entlang der großen römischen Handelsstraßen breitete sich das Evangelium aus. Menschen
kamen zum Glauben. Gemeinden entstanden: Erst in den großen Metropolen, dann auch im Hinterland.
Die vielen neu gegründeten Gemeinden standen natürlich auch von Anfang an massiv unter dem Druck ihrer Umwelt. Ihre Lage war ausgesprochen brisant und hochexplosiv! Vergessen wir eines nicht: Die neuentstandenen Gemeinden lebten in einer Welt, in der die regierenden Kaiser als Gott bzw. als Söhne Gottes verehrt wurden.
Schon der bekannte Gaius Julius Cäsar ließ sich schlicht und wuchtig als Gott verehren. Auf einem Säulenkapitell im thessalischen Demetrias findet sich die Inschrift: „Gaius Julius Caesar, Selbstherrscher, Gott.“
Von Kaiser Augustus (er kam um 31 v. Chr. an die Macht) heißt es auf einer Statue: „Das Volk ehrt den Selbstherrscher, Kaiser, Gott und Gottes Sohn.“
Mitten hinein in diese verbreitete Verehrung des regierenden Kaisers als Gott und Gottes Sohn bekannten nun die Christen Jesus als den einzigen und wahren Sohn Gottes, dem sich alle (!) Knie beugen und den alle Zungen als Herrn bekennen müssten (Die Bibel, Philipperbrief 2, 10 – 11 / Markusevangelium 1, 1). Damit griffen sie direkt und unmissverständlich die vermeintlich göttliche Autorität des Kaisers an und setzten sich damit mittelbar und unmittelbar den Strafmaßnahmen der römischen Obrigkeit aus. Oft genug mussten sie auch den Weg in den Untergrund antreten. Die Katakomben unter der Stadt Rom legen bis heute ein beredtes Zeugnis davon ab.
Und damit ist klar: Wer damals Christ wurde, tat dies auf keinen Fall aufgrund irgendwelcher frommer Spekulationen über einen gewissen Jesus Christus von dem keiner nichts Genaues wusste. Wer damals Christ wurde, der musste mit Verfolgung durch staatliche Behörden rechnen. Der musste auch mit dem Zwang zur Flucht oder sogar mit einem gewaltsamen Tod rechnen. Handfeste Informationen über Jesus (sein Leben, seine Lehre, seine Kreuzigung und Auferstehung) waren also unbedingt nötig. Ohne die hätte kein Mensch damals den Schritt ins Christsein gewagt. Schließlich setzten die Leute höchst konkret ihr Leben aufs Spiel!
Die ersten Christen lebten also gänzlich anders als Menschen in der Bundesrepublik heute: Wir haben hier in Deutschland all die schönen Kirchen und Gemeindehäuser und können jeden Sonntag völlig unbehelligt unsere Gottesdienste feiern. Wir sind Lichtjahre von der Lebenswirklichkeit der ersten Christen weg! Für die barg der Schritt in den Glauben an Jesus ein hohes, ein sehr hohes Risiko. Und darum wollten die natürlich alle sehr genau wissen, wer Jesus wirklich war und was er wirklich gesagt und getan hatte und was genau sie von ihm erwarten konnten. Die setzten für den Glauben jeden Tag ihr Leben aufs Spiel. Die wollten natürlich wissen, woran sie waren mit Jesus! Also, Informationen über Jesus waren damals (wie natürlich auch heute!) sehr, sehr nötig sogar: Zuverlässige, handfeste Augenzeugen-Informationen.
Allerdings standen die Apostel damit vor einem schwer zu lösenden Problem: Sie konnten unmöglich alle neu entstandenen Gemeinden permanent selbst besuchen und mit Informationen über Jesus versorgen. Das waren einfach viel zu viele und oft auch viel zu weit weg! Dafür reichten weder Kraft noch Zeit: Schon der Apostel Paulus klagt im Römerbrief (Römerbrief 1, 9 – 13), dass er es trotz wiederholter Versuche einfach nicht geschafft hat, die große Gemeinde in Rom zu besuchen, so dass er ihr nun wenigstens einen Brief schickt. Ganz ähnlich äußert sich auch der Apostel Johannes in den Johannesbriefen (2. Johannesbrief 12 / 3. Johannesbrief 13). Also: Die Apostel, die Botschafter des Evangeliums schafften es einfach nicht, all den neuen Gemeinden die dringend benötigten Augenzeugeninformationen über Jesus zu liefern. Es war einfach zu viel Arbeit!
Der Ausweg aus dieser Schwierigkeit war die Abfassung schriftlicher Augenzeugenberichte über Leben und Lehre Jesu. Die konnte man kopieren und in die Gemeinden geben. Aber, Achtung: Diese schriftlichen Berichte mussten mindestens eine wichtige Bedingung erfüllen: Sie mussten von Augenzeugen beglaubigt sein. Sie mussten von Jüngern Jesu beglaubigt sein. Sie mussten von den Aposteln, den Botschaftern des Evangeliums beglaubigt sein! Nur so und nicht anders konnten sie für die neuen Gemeinden akzeptabel sein.
Und damit ist klar: Bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt
entstand damals sie Notwendigkeit, schriftliche Augenzeugenberichte über das Leben und Lehre Jesu anzufertigen. Das heißt: Insbesondere die drei ersten Evangelien (Matthäus-, Markus- und
Lukasevangelium) sind eben nicht, wie man heute oft hören kann, erst vierzig, fünfzig oder noch mehr Jahre nach dem irdischen Leben Jesu verfasst worden! Die Notwendigkeit, Evangelien zu
verfassen, war eine Notwendigkeit, die sich bereits in den allerersten Jahren der christlichen Gemeinden zeigte. Und darum können wir davon ausgehen, dass die Berichte über Jesus, die heute in
unseren Bibeln stehen, bereits wenige Jahre nach seinem Tod und seiner Auferstehung geschrieben worden sind. Von wem denn geschrieben? Von den Jüngern Jesu, den Augenzeugen selbst, wie zum
Beispiel das Matthäus- oder das Johannesevangelium. Oder von Leuten wie Lukas oder auch Markus, die sich mit den Aposteln zusammensetzten und sich von ihnen aus allererster Hand informieren
ließen, wie das denn nun genau war mit Jesus. Glaubwürdige Augenzeugen und fähige Botschafter waren immer die Ansprechpartner. Die Berichte der Evangelien über Jesus gehen also auf sorgfältige
Recherchen zurück.
Die Bibel, Lukasevangelium 1, 3 - 4: Nun habe auch ich mich dazu entschlossen, allem von Anfang an sorgfältig nachzugehen und es für dich, verehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Dinge überzeugen, in denen du unterwiesen worden bist.
Lukas schreibt seinem Freund Theophilus (= „Von Gott geliebt“), dass er sich dazu entschlossen habe, allem von Anfang an sorgfältig nachzugehen und es, der Reihe nach aufzuschreiben. Für „sorgfältig“ steht im griechischen Text des Lukasevangeliums das Wort „akriboos“. Davon haben wir das deutsche Wort „akribisch“, also „genau“. Will sagen: Lukas hat sich bei den Aposteln nicht nur so einen allgemeinen Eindruck verschafft, wie das denn nun war mit Jesus, um dann mal so locker-leicht drauflos zu schreiben! Sondern: Er hat sich akribisch genau informiert, wie alles war. Und dann hat er sich hingesetzt und alles der Reihe nach aufgeschrieben. Es ging Lukas – wie übrigens auch den anderen Evangelisten in der Bibel (im Neuen Testament) - ausdrücklich darum, alles sorgfältig zu recherchieren und dann ebenso sorgfältig aufzuschreiben.
Und dann fügt Lukas noch einen ganz wichtigen Satz an. Er schreibt (Lukasevangelium 1, 4): So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Dinge überzeugen, in denen du unterwiesen worden bist.
Hier gelangen wir zum Herz der Dinge. Der Grund, warum Lukas sich die Mühe sorgfältiger Recherche gemacht hat, ist dieser: Er wollte, dass sein geschätzter Freund ein solides Glaubensfundament bekommen sollte. Was denn für ein Fundament? Ein Tatsachen-Fundament! Welcome to reality!
Ganz selbstverständlich ging Lukas davon aus, dass der Glaube an Jesus ein Tatsachen-Fundament braucht. Ganz selbstverständlich gingen auch alle Christen damals davon aus, dass der Glaube ein Tatsachen-Fundament braucht. Der Glaube, also die gelebte Vertrauensbeziehung zu Jesus, braucht ein Tatsachen-Fundament. Sonst hängt er nämlich in der Luft! Wenn es den Jesus, von dem die Bibel berichtet, so nie gegeben hat ... Wenn die Jesu-Berichte der Evangelien nur fromme Legenden sind, dann hängt der Glaube komplett in der Luft. Dann hält der Glaube sich an sich selber fest. Und das funktioniert einfach nicht. Genauso könnte man sich in der rüttelnden Straßenbahn am eigenen Schlips festhalten und erwarten, dass einem das Halt gibt. Das funktioniert nicht!
Ein Glaube ohne Tatsachen – wie ihn heute landauf, landab die liberale, bibelkritische Theologie propagiert - wäre zur Zeit der ersten Christen sofort untergegangen. Der hätte dem massiven Druck der feindlichen Lebensverhältnisse damals niemals standgehalten! Bitte: Wie viele Christen sind denn in den römischen Arenen zu Tode gekommen! Und wie viele Christen sind vom römischen Kaiser Nero als lebendige Fackeln verbrannt worden! Es waren so furchtbar viele! Aber sie hielten stand! Sie waren bereit, ihr Leben zu verlieren für Jesus. Warum? Woher hatten sie diese große Kraft? Antwort: Sie wussten genau, wer Jesus war: Der Sohn Gottes, der am Kreuz sein Leben für sie gegeben hatte. Der Sohn Gottes, der am dritten Tag nach seinem Tod leiblich auferstanden war. Der Sohn Gottes, der ihnen ewiges Leben nach dem Tod geben würde. Sie wussten, woran sie waren mit Jesus. Und darum war ihr Glaube stark!
Um es sehr klar und unmissverständlich zu sagen: Glaube braucht ein Tatsachen-Fundament! Die Tatsachen des Lebens Jesu und die Tatsachen des Sterbens Jesu und die Tatsache der leiblichen Auferstehung Jesu. Die Tatsachen ersetzen zwar den Glauben nicht. Aber: Sie geben ihm ein Fundament, auf dem er sich entfalten und wachsen kann. Und genau dieses Tatsachen-Fundament wollte Lukas (und mit ihm die anderen Evangelien) liefern.
Die Behauptung bibelkritischer Theologen, die ersten Christen hätten kein Interesse an Fakten über Jesus gehabt, ist wirklichkeitsfremd und definitiv falsch! Allein schon die ersten vier Verse des Lukasevangeliums in der Bibel beweisen das genaue Gegenteil: Die Christen in den ersten Gemeinden waren in höchstem Maß an gesicherten Informationen über Jesus interessiert. Sie verlangten nach zuverlässigen Informationen über die Person, das Leben und die Lehre Jesu. Und sie bekamen sie auch!
Ergebnis: Die Evangelien des Neuen Testaments liefern uns
zuverlässige Informationen über Jesus: Augenzeugen-Informationen, die das Tatsachen-Fundament des Glaubens sein sollen. Augenzeugen-Informationen,
die unter der Leitung des Heiligen Geistes wenige Jahre nach Tod und Auferstehung Jesu aufgeschrieben wurden. Sie präsentieren die Wahrheit, nicht weniger. Und die Wahrheit brauchen Menschen wie
die Luft zum Atmen.
Die Frage der Zuverlässigkeit des Alten Testaments ist eine Frage, auf die die Antworten sehr unterschiedlich ausfallen: Während die biblischen Schriften vom 1. Buch Mose bis hin zum Buch des Propheten Maleachi unübersehbar den Anspruch erheben, die Ereignisse der rund zweitausendjährigen Geschichte des Volkes Israel historisch korrekt und zuverlässig wiederzugeben, kommen heute Teile der alttestamentlichen Forschung zu ganz anderen Ergebnissen: Sie hält die vom Alten Testament berichtete Geschichte für eine Fiktion, für eine Art von religiöser Ideologie, die – wenn überhaupt - nur ein Minimum an historisch verlässlichen Informationen enthält.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein war man in der alttestamentlichen Wissenschaft im Großen und Ganzen von der Zuverlässigkeit der biblischen Geschichtsschreibung ausgegangen. Der Theologe und Orientalist Julius Wellhausen (1844 – 1918) war dann der erste, der im 19. Jahrhundert eine grundsätzliche Neubewertung der Überlieferungen des Alten Testaments vornahm. Er und seine Schüler Martin Noth und Albrecht Alt verlegten die Entstehung der Geschichtsbücher des Alten Testaments insgesamt in das erste Jahrtausend vor Christus. Sie sprachen damit nicht nur Mose die Verfasserschaft der nach ihm benannten biblischen Bücher ab, sondern bestritten auch, dass David einen Großteil der Psalmen, Solomo die Weisheitsbücher und die Schriftpropheten die mit ihrem Namen verknüpften Bücher verfasst hätten. Hinzukam eine tiefgreifende und umfassende Sachkritik an den im Alten Testament berichteten Inhalten.
Die liberale alttestamentliche Wissenschaft der Gegenwart ist über Wellhausens Erkenntnisse weit hinausgegangen. Die Mehrzahl ihrer Vertreter verlegt die Entstehung der Bücher des Alten Testaments inzwischen ins vierte bzw. dritte Jahrhundert vor Christus, also in die Zeit nach dem Exil des Volkes Israel in Babylonien. Sie sieht die Bücher des Alten Testaments als Propagandaschriften, mit denen das aus dem Exil zurückgekehrte Volk Israel sich eine „imaginäre große Vergangenheit“ verschaffen wollte.
Der Alttestamentler und Altorientalist Kenneth A. Kitchen schreibt treffend mit Blick auf diese Entwicklung:
„Zwischen der im Alten Testament dargestellten Entwicklung der israelitischen Geschichte, Religion und Literatur und den von der alttestamentlichen Forschung bisher vorgelegten allgemein anerkannten Rekonstruktionen besteht ein sehr gespanntes Verhältnis. Nirgends sonst in der altvorderasiatischen Forschung wurde – mit so starken Abweichungen von den vorliegenden dokumentarischen Zeugnissen – die literarische, religiöse und geschichtliche Entfaltung einer Nation derart umfassenden Rekonstruktionen unterworfen. Die Tatsache, dass Alttestamentler sich an diese ... Rekonstruktionen gewöhnt haben, ändert nichts an der grundsätzlichen Bedeutung dieser Situation, die nicht als selbstverständlich hingenommen werden sollte.“
Die Frage nach der Zuverlässigkeit der alttestamentlichen Geschichtsschreibung ist alles andere als eine rein akademische Angelegenheit: Wenn das Alte Testament tatsächlich nicht mehr als eine fiktive Propagandaschrift sein sollte, dann entfällt es als historische Basis für den Glauben an den Gott Israels, der ja auch der Vater Jesu Christi ist. Wenn die Überlieferungen des Alten Testaments nicht mehr sind als willkürliche, religiös-ideologische Geschichtsdarstellungen, dann hängt der Glaube an den Gott Abrahams, Issaks und Jakobs, der das Volk Israel als sein Volk erwählte und aus diesem Volk seinen Sohn Jeschua kommen ließ, komplett in der Luft. Es ist nun einmal das hervorstechende Kennzeichen des biblischen Glaubens, dass er vom Handeln Gottes in Raum und Zeit spricht. Wenn diese historische Fundamentierung keinen Bestand hat, verliert auch der Glaube, der auf ihr ruht, seine Legitimation. Um nicht missverstanden zu werden: Der Glaube an den Gott der Bibel ist natürlich mehr als ein bloßes Fürwahrhalten historischer Fakten. Aber ohne die historische Basis wird er zu einer willkürlichen, rein subjektiven Angelegenheit.
Es ist darum mein Anliegen, wenigstens in ein paar wenigen
Schlaglichtern nach der historischen Zuverlässigkeit der alttestamentlichen Geschichtsschreibung zu fragen Dass diese Vorgehensweise prinzipiell möglich ist, liegt auf der Hand: Das Alte
Testament enthält eine Fülle von Namen, sowie detaillierte geographische und zeitliche Angaben. Es liefert zudem zahllose Beschreibungen von zeitgebundenen kulturellen Besonderheiten, sowie viele
Schilderungen konkreter geschichtlicher Vorgänge. All diese Angaben können mit bereits vorliegenden Zeugnissen der Geschichte des Vorderen Orients verglichen und so überprüft werden: Dafür stehen
zum Beispiel die rund 20. 000 Tontafeln von Mari (Syrien) aus dem 18. Jahrhundert vor Christus zur Verfügung, aber auch die Tontafeln von Ebla und Ugarit (3. Jahrtausend v.Chr.), die hethitischen
Keilschriftarchive (mehr als hundert Bände), sowie ganze Reihen von sumerischen, babylonischen und assyrischen Schrifttafeln, ägyptischen Hieroglyphen, und nicht zuletzt die zahlreichen Funde und
Erkenntnisse archäologischer Ausgrabungen.
Die biblischen Berichte über das Leben von Abraham & Co.
Einige alttestamentliche Forscher (z.B. Israel Finkelstein) gehen heute davon aus, dass die Berichte vom Leben Abrahams und seiner Nachkommen größtenteils unglaubwürdig und historisch unzuverlässig seien. Sie verweisen die Berichte über das Leben der sogenannten Erzväter in den Bereich der Legenden. Die archäologische Forschung allerdings kommt zu ganz anderen Ergebnissen.
Besonders interessant sind die Erkenntnisse, die sich bei den archäologischen Ausgrabungen in der antiken Stadt Ur ergeben haben: Die Stadt Ur, im Süden Sumers, ca. 200 km vom Persischen Golf entfernt, im Gebiet des heutigen Iran/ Irak gelegen, ist die Heimatstadt Abrahams gewesen. Ur hatte zu dem Zeitpunkt, als Abraham dort lebte, etwa 300. 000 Einwohner, war also für damalige Verhältnisse eine große Metropole. Und ganz entsprechend war auch das Leben in dieser Stadt: Sie hatte eine große Bevölkerung, viel Geld, viele Wissenschaftler und - viele Götter. Der oberste dieser Götter hieß Nanna und war eine Art Mondgott. Was die Wissenschaftler angeht, so beherbergte Ur vor allem Mathematiker und Astronomen. Auch diverse Handwerksberufe brachten echte Spitzenleistungen, vor allem die Webereien, die Steinmetzbetriebe und natürlich die zahlreichen Landwirte, die das ertragreiche Land am Euphrat beackerten.
Ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Lebens der Stadt Ur waren die Schulen. Schulen zählten damals zu den neuesten und modernsten Errungenschaften. Als Archäologen in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Stadt Ur in mühseliger Kleinarbeit ausgruben, fanden sie reihenweise Tafeln, auf denen die Kinder und Jugendlichen der Stadt Ur rechnen, schreiben und lesen geübt hatten Daraus folgt: Sehr wahrscheinlich konnte auch Abraham, der ja dort geboren wurde und aufwuchs, lesen und schreiben. Zumindest gab es Menschen in seinem unmittelbaren Lebensumfeld, die das konnten. Das wiederum bedeutet, dass die Berichte über sein Leben (im 1. Buch Mose) durchaus aus allererster Hand, nämlich aus seiner eigenen Hand stammen könnten. Zuverlässige Informationen über die Person und das Leben Abrahams wären dann also mit einiger Wahrscheinlichkeit direkt in der Bibel zugänglich.
Dass dies eine gut begründete Annahme ist, zeigt sich zum Beispiel dann, wenn man die biblischen Berichte über Abrahams Leben einerseits und die Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen und Aussagen schriftlicher Urkunden aus der Zeit Abrahams miteinander in Beziehung bringt.
Das schlechthin herausragende Ereignis im Leben Abrahams war sein Wegzug aus Ur in ein Land, das Gott ihm zeigen würde (1. Mose 12, 1). Aus den Tontafel-Archiven von Mari ist bekannt, das im frühen 2. Jahrtausend vor Christus verschiedene Stammesgruppen weite Gebiete Mesopotamiens durchstreiften. Abrahams Reiseroute entspricht (bis auf einige entlegene Orte) zum Beispiel den Wanderungen der Mare-Yamina von Larsa im Osten bis Amurru im Westen. Aber nicht nur Viehhirten waren damals unterwegs: Auch Händlerkarawanen und offizielle Boten reisten bis Anatolien, Hazor (in Kanaan) und sogar bis ans Schwarze Meer. Ausführliche Listen mit Reisezeiten, Haltepunkten und ganze Reiseberichte sind überliefert. Der Altorientalist J.-R. Kupper schreibt mit Blick auf Abrahams Reisen: „In diese ständige Bewegung und Rückbewegung der Leute auf Wanderschaft lässt sich die Auswanderung Abrahams gut einordnen, der von Ur wieder nordwärts nach Haran in seine eigentliche Heimat zurückzog.“ Die Archive von Mari erwähnen darüber hinaus auch einige der Städte, die Abrahams damals aufsuchte, zum Beispiel das eben erwähnte Haran und Nahor (1. Mose 24, 10).
1. Mose 12, 10 – 20 berichtet von einer Reise Abrahams nach Ägypten. Der Grund ist eine Hungersnot, die ihn zur Flucht ins wohlhabende Ägypten nötigt. Aus der Angst heraus um seiner Frau willen sein Leben zu verlieren, gibt Abraham Sara als seine Schwester aus. Als die Täuschung auffliegt, schickt man ihn mit Reichtümern ausgestattet, wieder zurück nach Kanaan.
Tatsächlich kam es zu Beginn des 2. Jahrtausends vor Christus aufgrund von Hungersnöten häufiger zur Einwanderung von Hunger-Flüchtlingen nach Ägypten. In der Grabkammer des Pharao Chnumhoteps II. (ca. 1870 vor Christus) befindet sich eine gemalte Szene, die 37 „Asiaten“ darstellt, „die Ägypten besuchen und Augenschminke mitbringen. Ihr Führer trägt den gebräuchlichen westsemitischen Namen Ab-Scharru.“ 1. Mose 12, 18 berichtet, dass der Pharao Abraham schwere Vorwürfe machte und ihn aus seinem Palast schickte (1. Mose 12, 18). Dieser Palast befand sich in der Stadt Ro-waty im Ostdelta des Nil. Ausgrabungen haben seine Reste freigelegt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die ägyptischen Pharaonen nur in der Zeit zwischen 1970 – 1540 vor Christus diesen Palast im Ostdelta nutzten, später jedoch nicht mehr. Dieser Zeitraum passt genau zu der Zeit von Abrahams Auswanderung aus Ur zu Beginn des 2. Jahrtausends vor Christus.
1. Mose 15, 1 – 2 berichtet von der Kinderlosigkeit Abrahams und seinem Plan, seinen Besitz an einen seiner Angestellten, Elieser von Damaskus, zu vererben. Solche Adoptionen waren im alten Vorderen Orient häufig. §191 der Gesetze Hammurapis schützen beispielsweise die Rechte des Adoptivkindes, wenn der Fall eintreten sollte, dass dem Adoptivvater doch noch eigene, leibliche Kinder geboren werden sollten. Genau dies war später bei Abraham der Fall: Gott verhieß ihm einen eigenen leiblichen Sohn (1. Mose 15, 4). Als sich die Verheißung nicht sofort erfüllte, überredete Sara ihren Mann, ein Kind mit ihrer Magd Harar zu bekommen (1. Mose 16, 1 – 3). Später wiederholte sich dieser Vorgang in Jakobs Familie: Weil Rahel zunächst keine Kinder bekommen konnte, zeugte Jakob mit Rahels Magd Bilha ein Kind (1. Mose 30, 3 – 8). Auch Lea griff zu diesem Mittel, als sie keine Kinder mehr bekommen konnte (1. Mose 30, 9 – 12).
Exakt diese Praxis, mit der Magd der Ehefrau Kinder zu haben, wenn diese keine Kinder bekommen konnte, war Anfang des 2. Jahrtausends im Orient durchaus üblich. Eine Ehefrau brachte immer eine Magd mit in die Familie, um eine Absicherung zu haben, wenn ihr Kinder versagt blieben. Aus dem 19. Jahrhundert vor Christus ist folgende Abmachung erhalten, die anlässlich einer Hochzeit im anatolischen Kanes getroffen wurde. Dort heißt es mit Bezug auf die Ehefrau: „Wenn sie innerhalb von zwei Jahren keine Kinder für ihn gebiert, mag sie sich eine Sklavin kaufen.“ Normalerweise stand dem Adoptivkind die Hälfte des Erbes zu, manchmal auch mehr. Dies war die Praxis Anfang des 2. Jahrtausends vor Christus. Etwa 700 Jahre später änderte sich das aber zugunsten der später geborenen leiblichen Kinder: Ihnen standen nunmehr zwei Drittel des Erbes zu, dem Adoptivkind nur ein Drittel. In 1. Mose 49, 1 – 28 segnet Jakob (einer der Erzväter) nun ausdrücklich alle seine Söhne und erkennt sie damit alle gleichermaßen als Erben an. Er folgt damit der älteren Gesetzespraxis, die die Adoptivkinder den leiblichen Kindern gleichstellte. Jakobs Verhalten passt genau in die zu seinen Lebzeiten (Anfang des 2. Jahrtausends vor Christus) im Vorderen Orient übliche Praxis und bestätigt damit die Authentizität der biblischen Überlieferung.
All diese Fakten widersprechen einer Entstehung der Erzväterberichte zwischen dem 9. – 6. Jahrhundert vor Christus. Im Gegenteil: Alles spricht dafür, dass die Lebensberichte der Erzväter authentisch die Zeit und die Erfahrungen der Patriarchen wiedergeben.
Das wird abschließend auch noch einmal an einigen interessanten Details deutlich: An einigen wenigen Stellen der Erzväterberichte wird zum Beispiel die Existenz von Kamelen erwähnt (1. Mose 12, 16; 24, 10 – 64; 31, 17. 34; 37, 25). Lange galten sie als Beweis für die historische Unzuverlässigkeit der Patriarchenerzählungen. Dann jedoch wurde in Fayyum (Ägypten) ein Kamelschädel gefunden, der auf die Zeit zwischen 2000 – 1400 vor Christus datiert werden konnte. In Byblos fand man die Figur eines knienden Kamels aus der Zeit zwischen dem 19.- 18. Jahrhundert vor Christus. Im Tell el-Fahrcah-Nord (Kanaan) wurde in einem Grab aus demselben Zeitraum wiederum der Kieferknochen eines Kamels gefunden, in Nordsyrien ein Siegel mit einem Kamel aus dem 18. Jahrhundert vor Christus. Nicht zuletzt erwähnt das sumerische Lexikon HAR,ra-hubullu (aus den Anfängen des 2. Jahrtausends vor Christus) die Existenz von Kamelen. Auch diese interessanten Funde der Archäologie bestätigen also die Zuverlässigkeit der biblischen Überlieferung.
In 1. Mose 37, 28 wird der Preis erwähnt, den die Söhne Jakobs bei dem Verkauf ihres Bruders Josef erzielten: 1. Mose 37, 28 nennt die Zahl von 20 Schekel. Dieser Preis entspricht in etwa dem Preis, der für Sklaven im 18. Jahrhundert vor Christus im Vorderen Orient üblich war. Nun ist interessant, dass vor dieser Zeit die Sklaven billiger waren (10 Schekel), danach aber – im 15. – 14. Jahrhundert vor Christus wurden sie (wegen einsetzender Inflation) wieder teurer: 30 – 60 Schekel. Die Zahlen, die die Erzväter-Berichte für den Verkauf von Josef nennen passen also sehr gut in die Zeit der Erzväter. Es ist dagegen aber kaum anzunehmen, dass man sich im 9. – 6. Jahrhundert (der angeblichen Entstehungszeit der Fünf Bücher Mose nach bibelkritischer Sicht) noch an diese Preise erinnert hätte oder sich die Mühe gemacht hätte, ein derart nebensächliches Detail umständlich herauszufinden. Viel wahrscheinlicher ist es, dass hier die ein kulturelles Detail der Erzväter-Zeit authentisch wiedergegeben wird.
Natürlich stellt sich an dieser Stelle die Frage: Wer war es eigentlich, der die Berichte der biblischen Urgeschichte (also auch der Erzväter-Geschichten) im Original schrieb?
Diese Frage lässt sich heute ganz gut beantworten. Es lässt sich zeigen, dass die Berichte der Urgeschichte sehr wahrscheinlich auf schriftlich formulierte Chroniken zurückgehen.
Archäologische Ausgrabungen in der Nähe von Aleppo, in Nordsyrien, förderten vor einigen Jahrzehnten eine Sensation zu Tage: In einem Grabungshügel namens Ebla wurde in einem antiken Palast eine Bibliothek ausgegraben. Wahrscheinlich war es nur eine Nebenbibliothek. Aber sie enthielt doch immerhin 20. 000 säuberlich beschriftete Tontafeln, in die mit einem Metallstift Texte eingedrückt worden waren.
Man fand Wörterbuchtafeln, um fremdsprachige Dokumente übersetzen zu können. Man fand Gesetzessammlungen. Man fand Briefe, Steuerlisten und Verträge, und man fand Chroniken (also Geschichtsberichte) und Genealogien (Stammbäume). Die Tontafeln von Ebla konnten ziemlich genau datiert werden: Sie stammten aus dem 3. Jahrtausend vor Chr. (2400 - 2300 v. Chr.). Die Funde von Ebla bewiesen: Mindestens 500 Jahre vor Abraham (Abraham lebte im frühen 19. Jahrhundert v.Chr.), gab es im Vorderen Orient eine ausgefeilte Schreibkultur, Schreibschulen und eine intensive Korrespondenz. Andere Ausgrabungen brachten dann Tontafeln ans Licht, die sogar noch älter waren und etwa auf das Jahr 3000 vor Christus datiert werden konnten. Sie bewiesen, dass sogar 1000 Jahre, bevor Abraham lebte, eine hochentwickelte Schreibkultur existierte.
Das Interessanteste dabei ist: Irgendwelche Vorstufen dieser Schreibkultur konnten nicht ermittelt werden. Die Schreibkunst bewegt sich, soweit sie sich überhaupt zurückverfolgen lässt, von vornherein auf einem sehr hohen Niveau. Nach allem, was sich aus archäologischer Sicht sagen lässt, war die Schreibkunst also nicht eine späte Errungenschaft der Menschen, sondern reicht bis in die Anfänge der Menschheit zurück. Grundsätzlich steht der Annahme nichts im Wege, dass auch Abraham, dass auch die Erzväter schriftliche Aufzeichnungen auf Tontafeln angefertigt haben könnten. Die Funde von Ebla zeigen jedenfalls, dass die Schreibkunst im 3. Jahrtausend vor Christus bereits ein sehr hohes Niveau hatte und sozusagen schon in vollem Gange war. Das legt nahe, dass auch schon vor dem dritten Jahrtausend geschrieben und berichtet wurde.
Der Theologe Horst W. Beck bemerkt dazu:
„Die Schreibkunst ist entwickelt und verbreitet, soweit wir in der Kulturgeschichte des Vorderen Orients durch die Ausgrabungen zurückstoßen können. Schrift und Text als übliche Kommunikationsmedien kennzeichnen die frühen und alten Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens und phasenverschoben des Industales und Chinas. Die archäologische Wissenschaft führt zu einem einhelligen Urteil in folgenden Grundzügen: Im 3. Jahrtausend war als Kommunikationsmedium zwischen den hochentwickelten Stadtkulturen eine leistungsfähige Symbolschrift auf Keilschriftbasis gebräuchlich. Die ersten heute zur Verfügung stehenden Schriftdokumente werden zumindest auf das Jahr 3000 v.Chr. datiert. Das heißt, dass, soweit wir die Kulturgeschichte der Menschheit überhaupt zurückverfolgen können, der Mensch schreibende Kulturmensch ist. ... Belege hat man auf den Tontäfelchen in Form von vielen Verträgen, Steuerlisten, persönlichen Briefen gefunden. Kein Zweifel besteht darüber, dass in den Stadtkulturen des 3. Jahrtausends in Uruk, Sumer, Ebla, Babylon Schreibschulen existierten. Hier lernte man auch Grammatik und Stil ... So ist nach dem Urteil von Wiseman außer Frage, dass die Genesis ebenfalls auf solchen Tontäfelchen aufgeschrieben war. Die Genesis wurde unter Befolgung der gleichen literarischen Gewohnheiten zusammengestellt, wie wir sie von den Schreibern aus Ninive kennen ...“
Nun weisen etliche der Tontafeln von Ebla, die die Chroniken enthielten, eine interessante Besonderheit auf: Sie beginnen häufig mit einer Genealogie, also einer Abstammungsliste. Danach folgen Berichte aus dem Leben derer, die in der Genealogie genannt wurden. Am Ende kommt dann oft ein Schlusssatz, in dem der Verfasser (oder auch der Besitzer) der Chronik seinen Namen nennt. Die Tontafeln wurden aller Wahrscheinlichkeit nach gesammelt und wie eine Familienchronik weitergeführt.
Ein typisches Beispiel findet sich in 1. Mose 5, 1. Dort heißt es: "Dies ist das Buch von Adams Geschlecht." Die Toledot-Sätze stehen in der Regel am Schluss einer Chronik. Also fängt nach diesem Satz ein neuer Abschnitt an. In 1. Mose 5 findet sich nach dem Toledot-Satz zunächst eine Genealogie (Abstammungsliste). Sie reicht bis zu den Söhnen Noahs. Dann folgt ein kurzer Bericht über die Lage der Menschheit vor der Sintflut. Und schließlich, in 1. Mose 6, 9, erscheint wieder ein Toledot-Satz, in dem Noah sich als Verfasser zu erkennen gibt. Danach fängt wieder ein neuer Abschnitt (eine neue Tontafel) an, der von den Ereignissen der Sintflut berichtet. In 1. Mose 10, 1 erscheint dann wieder ein Toledot-Satz: "Dies ist das Geschlecht der Söhne Noahs." Die Söhne Noahs haben die Chronik also weitergeführt und die Ereignisse der Sintflut berichtet. Darauf folgt wieder eine Abstammungsliste und wieder Berichte (nämlich über den Turmbau zu Babel) und wieder zum Abschluss ein Toledot-Satz in 1. Mose 11, 10: "Dies ist das Geschlecht Sems." Und damit ist klar: Bis zu diesem Satz hat Sem die Chronik geführt. Nun fängt wieder eine neue Tafel an. Wieder folgt eine Abstammungsliste und wieder Berichte. Und so geht es dann immer weiter.
Das ganze 1. Buch Mose ist also ganz ähnlich aufgebaut wie die Chroniken, die in Ebla gefunden wurden. Es kann also durchaus der Fall sein, dass das 1. Buch Mose Berichte enthält, die der jeweilige Verfasser selbst miterlebt hat.
Wie aber sind diese Chroniken in die Bibel hineingekommen?
Der Archäologe P.J. Wiseman schreibt dazu:
„Noah hat wohl die Täfelchen über die Schöpfung und den Sündenfall zusammen mit seinen eigenen Aufzeichnungen an Sem weitergegeben. Später kamen sie in den Besitz Abrahams, nachdem der Flutbericht, Sems Darstellung der Völkertafel (1. Mose 10) und des Turmbaues (1. Mose 11) und Terachs Geschlechtsregister noch hinzugefügt worden waren. Bei Abraham sammelte sich wohl dieser erste Strom der alten Überlieferung (1. Mose 1 - 11), entlang der Linie der göttlichen Erwählung, die nach ihm in der Verheißung sichtbar wurde.“
Die Tontafeln könnten dann zum Reisegepäck Abrahams gehört haben, als er von Babylonien nach Kanaan zog. Jakob könnte bei seiner späteren Reise nach Ägypten schon 1. Mose 1 - 36 bei sich gehabt haben. In Ägypten könnten die Tafeln in die Hände von Mose gelangt sein, der sie um die Kapitel 37 - 50 (die Berichte von Joseph) ergänzte.
Mose könnte dann aus den ihm zur Verfügung stehenden Tontafeln das 1. Buch Mose verfasst haben. Wie behutsam und ehrfürchtig Mose dabei mit diesen alten Texten umgegangen ist, zeigt die Tatsache, dass er alte Städtenamen nicht durch die neuen, zu seiner Zeit gängigen Namen ersetzte, sondern nur ihre Namen erklärte. In 1. Mose 14, 3. 7. 17 heißt es zum Beispiel: Diese (nämlich Abrahams Gegner) vereinigten sich im Tal Siddim, wo jetzt das Salzmeer ist. ... Danach kehrten sie um und kamen zum Brunnen Mischpat, das ist Kadesch ... Als aber Abram von der Schlacht gegen Kedor-Laomer ... zurückkehrte, ging ihm der König von Sodom entgegen in das Tal Schaveh, welches Königstal genannt wird. In 1. Mose 23, 2 findet sich diese Notiz: Und Sarah starb in Kirjat-Arba, das ist Hebron, im Lande Kanaan.
Die Berichte der Urgeschichte können also durchaus auf Chroniken zurückgehen, in denen authentische Zeitzeugen Ereignisse aus ihrer Zeit und ihrem Leben schriftlich niedergelegt haben. Über Abraham und Jakob könnten diese Berichte in die Hände Moses gekommen sein, der sie zum 1. Buch Mose zusammenfügte.
Noch einmal Horst W. Beck:
„Für die Würdigung der biblischen Urgeschichte Genesis 1 – 11 ... lassen sich ... zumindest folgende Linien hervorheben: Als Abraham mit seiner Familie aus Chaldäa auswanderte, wanderte er von einem festgeprägten Kulturzentrum in ein in der Kulturhöhe vergleichbar anderes Land. Es ist anzunehmen, dass zum Familientross eine Familienbibliothek gehörte und dass der Familienfürst Abraham schreibkundig war, ja bewanderte Schreibknechte zur Verfügung hatte. Zuletzt beweisen die neuen Ebla-Texte aus der Mitte des 3. Jahrtausends v.Chr., dass zumindest ein halbes Jahrtausend vor Abraham schriftliche Kommunikation aus aktuellen Anlässen wie das Abspeichern von Überlieferungsgut in Bibliotheken Gang und gäbe war.“
Die biblischen Berichte über Josua.
Das Buch Josua ist das Buch der Landnahme. Nachdem das Volk Israel 40 Jahre in der Wüste verbracht hatte, überschritt es (um 1220/1210 v. Chr.) den Jordan von Osten her und drang auf diesem Weg in das Land Kanaan ein, um es einzunehmen.
Die Eroberung Kanaans durch die zwölf Stämme Israels ist ein durchaus dramatischer Vorgang gewesen. Sie muss also Spuren hinterlassen haben, die heute durch archäologische Ausgrabungen nachweisbar sein müssten.
Befragt man die historischen Quellen, wird rasch klar, dass im 14./ 13. Jahrhundert v.Chr. verschiedene Völkergruppen (nicht nur die Israeliten) in das Gebiet des Landes Kanaan eingedrungen sind. Die ägyptischen sogenannten „Amarnabriefe“ liefern davon ein lebendiges Bild. Für die ägyptischen Pharaonen war Kanaan ein direkter Nachbar. Sie hatten von daher immer ein großes Interesse an allem, was in diesem Land vor sich ging. In den Amarnabriefen (Mitte des 14. Jahrhunderts) berichten nun Vertraute des Pharao angstvoll von großen Schwierigkeiten mit verschiedenen Eindringlingen, die die Machtverhältnisse im Land durcheinander brächten. Diese sogenannten „Apiru“ wären dabei, das Land unter ihre Kontrolle zu bringen. Die „Apiru“ werden auch auf verschiedenen ägyptischen Stelen (Steinsäulen mit Inschrift) erwähnt. Sie können nicht direkt mit den biblischen Hebräern gleichgesetzt werden, sondern sind die Bezeichnung für Eindringlinge unterschiedlicher Herkunft und Nationalität. Die Berichte der Amarnabriefe über die Apiru zeigen, dass damals unterschiedliche Völkergruppen versuchten, das Land Kanaan (oder zumindest Teile desselben) einzunehmen. Unter diesen Völkergruppen waren im späten 13. Jahrhundert (um 1210 v.Chr.) auch die Israeliten, die von Osten her ins Land Kanaan eindrangen. Auffällig ist, dass dieselbe Furcht vor den Apiru, die in den Amarnabriefen zum Ausdruck kommt, sich auch im Buch Josua findet, zum Beispiel im Bericht über die Gibeoniter, die aus Furcht ein Bündnis mit den Israeliten schließen (Josua 9). Auch die Worte der Rahab, einer Prostituierten in der Stadt Jericho spiegeln diese Angst wieder. In Jos 2, 9 äußert sie sich gegenüber zwei hebräischen Kundschaftern so: Ich weiß, dass der Herr euch das Land gegeben hat; denn es hat uns Furcht vor euch überfallen, und alle Einwohner des Landes sind vor euch verzagt. Die Wirkung, die die Israeliten im Zuge der Landnahme auf die Bewohner Kanaans hatten, wird in den ägyptischen Quellen einerseits und dem Buch Josua andererseits in ganz ähnlicher Weise beschrieben. Die Berichte des Buches Josua zeigen sich schon von daher als historisch verlässliche Quelle.
Am Beginn der Landnahme Israels stand die Durchquerung des Jordans, und zwar trockenen Fußes (Jos 3, 17). Die Bibel berichtet, dass dieses Ereignis in eine Zeit des Jordanhochwassers fiel (Jos 3, 15). Sie berichtet weiter, dass die Wassermassen nahe der Ortschaft Adam wie von einem Damm aufgestaut wurden (Jos 3, 16), und dass dies exakt zu dem Zeitpunkt geschah, als das Volk Israel von Osten her am Jordan ankam (Jos 3, 1).
Der Bericht im Buch Josua wirkt auf heutige Leser zunächst wie eine Phantasieerzählung. Wie soll man sich eine so plötzlich eintretende Aufstauung des Jordan überhaupt vorstellen? Das Rätsel löst sich, wenn man die Fakten, die der Josuabericht präsentiert, nur genau zur Kenntnis nimmt. Die erwähnte Ortschaft Adam (heute Tell ed-damije) liegt etwa 25 Kilometer von Jericho entfernt am Jordan. Der Fluss hat an dieser Stelle hohe Ufer, die insbesondere in Zeiten des Hochwassers leicht abrutschen und dann den Fluss für begrenzte Zeit aufstauen. So geschah es zum Beispiel nachweislich im Jahr 1267 n.Chr. Damals rutschte ein am Ufer gelegener Hügel ab und staute den Fluss für insgesamt 16 Stunden. Im Jahr 1906 kam es wiederum zu einem Erdrutsch an dieser Stelle, und dann noch einmal anlässlich eines Erdbebens im Jahr 1927 n.Chr.: Damals rutschte nicht nur das Westufer des Jordans und ein dort befindlicher Weg ab, sondern auch eine Steilwand von 50 Meter Höhe, was zu einem Stau von insgesamt 24 Stunden führte.
Es liegt nahe, dass anlässlich der Durchquerung des Jordans zu Beginn der Landnahme Israels analoge Ereignisse zur Aufstauung des Flusses führten und es den Israeliten ermöglichten, tatsächlich trockenen Fußes hindurchzugehen. Das Besondere der Ereignisse damals liegt in der Tatsache, dass die Aufstauung des Jordans mit wunderbarer Pünktlichkeit exakt zum richtigen Zeitpunkt und an der richtigen Stelle stattfand.
Das Buch Josua erwähnt in seinen Berichten übrigens viele Städte mit ihren alten archaischen Namen, die später nicht mehr gebräuchlich waren. Zu ihnen gehören zum Beispiel: Kirjat-Sanna für Debir (Josua 15, 49) und Kirjat-Arba für Hebron (Jos 15, 13. 54). Die Tatsache, dass diese alten Bezeichnungen dem Buch Josua bekannt sind, deutet darauf hin, dass das Buch Josua tatsächlich in der Zeit der Landnahme entstanden ist.
Zahlreiche Städte Kanaans sind im Zuge der Landnahme Israels eingenommen worden. Wie schon bemerkt, ist es aber schwierig, die Eroberung einer Stadt archäologisch nachzuweisen, wenn die Stadt im Zuge dieser Eroberung intakt blieb und nicht zerstört wurde. Die Berichte des Buches Josua nennen nun die Namen von 21 Städten, in denen genau dies geschah: Sie wurden eingenommen, aber dabei nicht zerstört. Archäologisch nachweisen lässt sich also heute nicht die Eroberung dieser Städte. Man kann aber herausfinden, ob diese Städte zur Zeit der Landnahme (14. / 13. Jahrhundert v.Chr.) bewohnt waren oder nicht. Eine Untersuchung ergibt folgendes Bild: Zur Zeit der Landnahme nachweislich bewohnt waren Aseka, Libna, Lachisch, Geser, Eglon, Debir, Jarmut, Megiddo, Taanach, Jokneam, Dor, Tirza, Afek, Jerusalem, Achschaf, Kedesch, Bethel, Sichem, Gibeon.
Die antike Ortschaft Makkedas liegt heute unter einem arabischen Dorf. Dort konnten bis heute nur sehr begrenzt Untersuchungen durchgeführt werden. Folgerichtig liegen zu diesem im Buch Josua erwähnten Ort keine Erkenntnisse vor.
Das antike Hebron wurde bisher bei Gebel er-Rumeda vermutet. Dort fanden sich keine Besiedlungsspuren für die Zeit der Landnahme. Neuere Untersuchungen vermuten das antike Hebron an einer Grabungsstelle in der Nähe von Gebel er-Rumeda, in der Besiedlungsspuren für die Zeit der Landnahme gefunden wurden.
Von 21 Städten, die im Buch Josua erwähnt werden und im Zuge ihrer Eroberung nicht zerstört wurden, waren 19 sicher, eine (Hebron) wahrscheinlich bewohnt. Über eine weitere liegen keine Informationen vor. Von keiner Ortschaft aber ist nachgewiesen, dass sie zur Zeit der Landnahme unbewohnt war. Dies ist ein sehr eindeutiges Ergebnis. Es bestätigt die Angeben des Buches Josua.
Was die im Rahmen der Landnahme zerstörten Städte Hazor, Ai und Jericho angeht, lässt sich aus archäologischer Sicht folgendes feststellen: Die Stadt Hazor lässt sich sicher lokalisieren. Sie liegt im Ruinenhügel Tell el-Qedah. Das Buch Josua bezeichnet sie als das „mächtigste von allen (kanaanäischen) Königreichen (Jos 11, 10). Diese Beschreibung ist korrekt: Hazor besaß eine Festung und eine große Unterstadt und war für damalige Verhältnisse eine riesige Anlage. Festung und Stadt wurden nachweislich im 13. Jahrhundert durch einen Großbrand zerstört. Dieser Befund passt exakt zu den Berichten Josuas (Jos 11).
Die Stadt Ai wird in Jos 12, 9 als bei Bethel liegend beschrieben. Verschiedene Ausgrabungen im Ruinenhügel et-Tell, der einige Kilometer von Bethel entfernt liegt, haben aber bisher keine Bestätigung erbracht, dass dieser Ort zur Zeit der Landnahme Israels besiedelt war. Allerdings ist noch nicht das gesamte Areal von et-Tell ausgegraben worden. Strittig ist auch, ob et-Tell tatsächlich mit der antiken Stadt Ai identisch ist, oder ob sie an einer anderen Stelle zu suchen ist. Man darf gespannt sein, welche Erkenntnisse über Ai die archäologischen Ausgrabungen im Großraum Bethel zukünftig zu Tage fördern werden.
Die antike Stadt Jericho lag wenige Kilometer vom Toten Meer entfernt in unmittelbarer Nähe des Jordanflusses. Sie war zur Zeit der Landnahme der Israeliten eine stark befestigte und darum äußerst beeindruckende Stadt. Jedenfalls waren die Kundschafter, die das Land Kanaan ausspionieren sollten, bevor die Israeliten dort einmarschierten, äußerst beeindruckt (5. Mose 1, 24 – 28). Die Mauern Jerichos waren von massiver Machart! Zwei Kampfwagen konnten auf der Mauer nebeneinander herfahren. Dass die Bewohner Jerichos sich solche Mühe mit ihrer Stadtmauer gaben, war kein Wunder! Jericho lag nämlich an einer Jordanfurt und an einer der Haupt-Handelsstraßen, die nach Jerusalem und dann weiter zu den Küstenstädten am Mittelmeer führten. Das heißt: Es kamen viele Waren und viel Geld nach Jericho. Die Stadt hatte also viel zu verlieren. Grund genug für ein hohes Maß an Sicherheit zu sorgen.
Die Reste der Stadt Jericho sind seit dem
Jahr 1948 in Israel ausgegraben worden. Der Archäologe John Garstang war der erste, der die Trümmer vergangener Jahrhunderte aufdeckte. Dabei stellte sich heraus, dass Jericho tatsächlich einmal
bis auf die Grundmauern zerstört worden ist. Interessant dabei war, dass die ausgegrabenen Mauerreste der Stadt erkennen ließen, dass die Mauersteine der Stadtmauer nach außen umgekippt waren.
Normalerweise fielen Stadtmauern nach innen, wenn von außen mit einem Rammbock dagegen gedrückt wurde. In Jericho jedoch waren sie nach außen gefallen, sodass sie eine Art „Treppe“ bildeten, die
von den Israeliten bei der Erstürmung benutzt werden konnte, eine interessante Bestätigung des biblischen Berichtes im Buch Josua. Bis heute wird übrigens um die Deutung der Funde von Jericho
gestritten. Komplizierend kommt hinzu, dass einige Schichten aus der Geschichte der Stadt mittlerwile einfach weggeschwemmt und/oder erodiert sind, sodass keine sichere Datierung der einzelnen
Schichten mehr möglich ist. Eine genaue archäologische Rekonstruktion des Schicksals der Stadt ist also nicht einfach. Feststeht aber, dass es eine Zerstörung der Stadt Jericho gegeben hat, die
mit den in Josua 6 berichteten Ereignissen zusammenpasst.
Die Prophezeiungen über das Land Edom und seine Hauptstadt Petra.
Das Volk der Edomiter lebte vor etwa dreitausend Jahren direkt an der östlichen Grenze des Landes Israel. Seine Hauptstadt war die Felsenstadt Petra (Petra = Fels). Wichtige Handelsstraßen führten damals über Petra bis nach Griechenland und Italien. Die Hauptstadt des Königreiches Edom war darum eine sehr reiche Stadt.
Die Bibel berichtet, dass die Edomiter ein stolzes und sehr grausames Volk gewesen seien. In den Tempeln Edoms kam es immer wieder zu Menschenopfern. Die Bibel sagt, dass dort unschuldiges Blut vergossen wurde (Joel 4, 19). Mehr als einmal griffen edomitische Truppen das Volk der Israeliten ausgerechnet dann an, als es geschwächt und in akuter Not war. Viele Israeliten kamen dabei ums Leben. Es verwundert darum nicht, dass das Königreich Edom auch in der biblischen Prophetie eine wichtige Rolle spielt (Jes 34, 6 – 7. 10 – 13/ Jeremia 49, 17 – 18; Hesekiel 25, 13 – 14/ 35, 5 – 7).
Insgesamt wurden von den Propheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel folgende Ereignisse für das Königreich Edom vorhergesagt:
1. Das Land soll verwüstet werden (Jes 34, 13).
2. Es soll nie wieder bevölkert werden (Jer 49, 18).
3. Heiden werden es erobern (Hes 25, 14).
4. Das Volk Israel wird es erobern (Obd 18).
5. Es soll eine blutige Geschichte haben (Hes 35, 5 – 6 / Jes 34, 6 – 7).
6. Edom soll bis zur Stadt Teman verwüstet werden (Hes 25, 13).
7. Wilde Tiere solle das Gebiet bewohnen (Jes 34, 13).
8. Der Handel soll aufhören (Jes 34, 10 / Hes 35, 7).
9. Wer das verödete Land sieht, wird schockiert sein (Jer 49, 17).
10. Dornen und Disteln werden in den Palästen wachsen (Jes 34, 13).
11. Eulen und wilde Ziegen werden dort anzutreffen sein (Jes 34, 14)
Heute ist das antike Königreich Edom Bestandteil des Landes Jordanien. Es ist in der Tat ein wüstes Land (Erfüllung von Vorhersage 1). Es erlebte verschiedene Eroberungen, zum einen durch die Assyrer (Erfüllung von Vorhersage 3 und 5) , später im 2. Jahrhundert vor Christus, marschierten die Israeliten im Rahmen der Makkabäerkriege dort ein und unterwarfen das Land (Erfüllung von Vorhersage 4 und 5). Nach 70 nach Christus verschwanden die Edomiter vollständig. Die Verlegung einer Handelsstraße, die nun über Palmyra und nicht mehr über Petra verlief, führte zur völligen Verödung des Landes. Jeglicher Handel hörte auf (Erfüllung von Vorhersage 8). Lange galt das Königreich Edom als Mythos. Kritiker behaupteten, es habe nie existiert. Im 19. Jahrhundert nach Christus aber wurde die Stadt Petra wiederentdeckt. Inschriften dort bewiesen die Existenz und den Untergang Edoms (Erfüllung von Vorhersage 2). Heute besuchen Touristengruppen die Stadt Petra und staunen betroffen über die verlassene Festung in den Bergen (Erfüllung von Vorhersage 9). In den verödeten Palästen Petras wachsen wirklich Dornen und Disteln (Erfüllung von Vorhersage10), Eulen bauen ihre Nester in den Häusern und wilde Ziegen streifen durch das Gelände (Erfüllung von Vorhersage 11). Skorpione, Schlangen und andere Wüstentiere bewohnen das Land (Erfüllung von Vorhersage 7). Einzig die Stadt Teman existiert heute noch (Erfüllung von Vorhersage 6).
Auch die Berichte von Reisenden bestätigen in verblüffender Weise die Zuverlässigkeit der biblischen Prophezeiungen: Dr. Shaw stellt das Land Edom und der Wüste, von der es heute ein Teil ist, so dar: „Es wimmelt von Echsen und Vipern, der sehr zahlreich und lästig sind.“
Volney berichtet, dass „die Araber im Allgemeinen die Ruinen der Städte Edoms wegen der riesigen Skorpione (Wüstentiere), die dort überall herumkriechen, meiden.“
Cory berichtet, dass „man oft Löwen und Leoparden (Wüstentiere) in Petra und auf den unmittelbar dahinter liegenden Hügeln sehen kann, aber dass sie nie zur Ebene herabkommen.“
Higgins: „Immer wieder wird (in der Bibel)die Verwüstung Edoms angekündigt. Zur Zeit der Propheten schien die Erfüllung einer solchen Prophezeiung höchst unwahrscheinlich zu sein. ... Heute ist das Land verödet, ein stummes Zeugnis der sicheren Worte des Herrn. Petra ist ein bemerkenswertes Beispiel der buchstäblichen Erfüllung dieser Prophezeiung. Diese große Hauptstadt mit ihrem 4000 Mann fassenden Theater, ihren Altären und ihren Monumenten liegt heute schweigend und verlassen da, zerfallend mit dem Laufe der Zeit.“
Herbert Stewart: „Der Boden ist bedeckt von zerbrochenen Säulen, Pflastersteinen, Haufen von behauenen Steinblöcken und vielen anderen Ruinen. Skorpione und Eulen hausen in großer Fülle in den Ruinen.“
H. Burckhart: „Beim Einbruch der Nacht hört man das Heulen der Schakale von den Felsenhöhen. Der Stein, auf dem der Reisende sitzt, ist von Nesseln und Disteln umgeben, die sich in den Vorhöfen einstmals prunkvoller Tempel oder Paläste befinden.“
Higgins: „Der Prophet Jeremia wies darauf hin, dass alle, die durch Edom ziehen, über seine Verwüstung entsetzt sein werden ... Die großartigen Städte Edoms wurden verwüstet, und schaulustige Reisende hören nicht auf, über die verlassenen Festungen in den Bergen betroffen und verwundert zu sein.“
Professor Dr. Peter Stoner, ein Mathematiker aus den USA untersuchte mit den Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung die verschiedenen Prophezeiungen über Edom und Petra und kam zu folgendem Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die biblischen Prophezeiungen rein zufällig erfüllt haben könnten, beträgt 1 : 10. 000.
Wie kann man diese Wahrscheinlichkeit anschaulich machen? Angenommen, eine Badewanne wäre mit 10. 000 schwarzen Waldameisen gefüllt. Unter diesen 10. 000 schwarzen Waldameisen befände sich eine einzige rote Waldameise. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit verbundenen Augen aus den zehntausend schwarzen Ameisen zufällig die eine rote Ameise herausfischt, wenn er nur einmal zugreifen darf? Die Wahrscheinlichkeit ist natürlich sehr klein. Sie ist verschwindend gering. Genauso groß (oder klein) ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Prophezeiungen der Bibel über Edom und Petra durch Zufall erfüllt haben könnten.
Die Prophezeiungen über die Stadt Babylon.
Auch die antike Stadt Babylon spielt in den Prophezeiungen der Bibel eine prominente Rolle. Die Grundfläche der Stadt Babylon betrug 508 Quadratkilometer. 90 Kilometer war ihr Umfang. Sie war umgeben von doppelten (vielleicht sogar dreifachen) Mauern. Die äußere Mauer war 95 Meter hoch (also ca. 30 Stockwerke). Sie war 27 Meter breit, bot also Platz für 14 Autos nebeneinander. Sie hatte 250 Wachtürme, je 30 Meter höher als die äußere Mauer. Sie besaß 100 bronzebeschlagene Türen.
Im Inneren der Stadt standen 53 Tempel der großen Götter, 55 Kapellen des Marduk, 300 Kapellen für die Erdgottheiten, 600 für die Himmelsgottheiten, 180 Altäre für die Göttin Ischtar, 180 Altäre für die Götter Nergal und Adad und 12 andere Altäre für verschiedene andere Götter.
Der Archäologe Robert Koldewey, der durch seine Ausgrabungen in Babylon bekannt wurde, beschreibt im Vorwort seines Buches „Das wieder erstehende Babylon“ die Größe der Arbeit: „Das wird verständlich, wenn man die Größe des Objekts bedenkt, und dass zum Beispiel gewöhnliche Festungsmauern, deren Dicke in andern antiken Städten 3 Meter oder 6 bis 7 Meter beträgt, hier in Babylon leicht 17 Meter oder 22 Meter Dicke erreichen. Während in vielen antiken Ruinen-Orten die Schuttmassen nicht mehr als 2 bis 3 oder 6 Meter hoch auf den Fundschichten ruhen, sind hier oft 12 Meter oder 24 Meter zu bewältigen, und die ungeheuren Ausdehnungen des einst bewohnten Gebietes entsprechen diesem Grundmaßstab der Ruinen vollkommen.“
Babylon war eine Stadt von imperialer Größe. Trotzdem kündigen eine Reihe biblischer Prophezeiungen an, das all die Mühen beim Aufbau der riesigen Stadt umsonst gewesen sein werden. Der Prophet Habakuk schreibt (Hab 2, 13): "Wird´s nicht so vom Herrn geschehen? Woran die Völker sich abgearbeitet haben, muss mit Feuer verbrennen, und wofür die Leute sich müde gemacht haben, das muss verloren sein. Man bedenke: Es geht hier um eine Stadt mit gewaltigen Ausmaßen. Dennoch kündigt der Prophet Habakuk an, dass das Wort „Umsonst“ wie mit unsichtbaren Buchstaben auf den Trümmern dieser Stadt stehen wird."
Auch der Prophet Jesaja hat einige detaillierte Prophezeiungen über die Zerstörung Babylons gemacht. Im Buch Jesaja (Jes 13, 19 – 22 und Jes 14, 23) finden sich diese Vorhersagen: "So soll Babel, das schönste unter den Königreichen, die herrliche Pracht der Chaldäer, zerstört werden von Gott wie Sodom und Gomorra, dass man hinfort nicht mehr da wohne noch jemand da bleibe für und für, dass auch Araber dort keine Zelte aufschlagen noch Hirten ihre Herden lagern lassen, sondern Wüstentiere werden sich da lagern, und ihre Häuser werden voll Eulen sein; Strauße werden da wohnen, und Feldgeister werden da hüpfen, und wilde Hunde werden in ihren Palästen heulen und Schakale in den Schlössern der Lust. Ihre Zeit wird bald kommen, und ihre Tage lassen nicht auf sich warten (Jes 13, 19 – 22). ... Und ich will Babel machen zum Erbe für die Igel und zu einem Wassersumpf und will es mit dem Besen des Verderbens wegfegen, spricht der Herr Zebaoth (Jes 14, 23)."
Auch der Prophet Jeremia hält eine Zukunftsvorhersage über Babylon bereit. Dort heißt es: Aber nun will ich Babel und allen Bewohnern von Chaldäa vergelten alle ihre Bosheit, die sie an Zion begangen haben, vor euren Augen, spricht der Herr. Siehe, ich will an dich, du Berg des Verderbens, der du Verderben gebracht hast über alle Welt, spricht der Herr. Ich will meine Hand wider dich ausstrecken und dich von den Felsen herabwälzen und will einen verbrannten Berg aus dir machen, dass man weder Ecksteine noch Grundsteine aus dir nehmen kann, sondern eine ewige Wüste sollst du sein, spricht der Herr (Jer 51, 24 – 26). ... Seine Städte sind zur Wüste und zu einem dürren, öden Lande geworden, zum Lande, darin niemand wohnt und das kein Mensch durchzieht (Jer 51, 43).
Bündelt man diese Prophezeiungen, ergibt sich folgendes Bild:
1. Babylon soll so völlig zerstört werden wie Sodom und Gomorrha (Jes 13, 19).
2. Es soll nie wieder bewohnt werden (Jer 51, 26 / Jes 13, 20).
3. Araber werden dort keine Zelte aufschlagen (Jes 13, 20).
4. Es wird dort keine Weideplätze geben (Jes 13, 20).
5. Wüstentiere werden in den Ruinen hausen (Jes 13, 21).
6. Die Eck- und Grundsteine werden nicht für andere Bauarbeiten benutzt werden (Jer 51, 26).
7. Die ehemalige Stadt wird nicht mehr besucht werden (Jer 51, 43).
8. Das Gebiet soll von Wassersümpfen bedeckt werden (Jes 14, 23).
Die zitierten Prophezeiungen begannen sich an dem Tag zu verwirklichen, an dem Babylon eingenommen wurde. Viele Menschen haben sich immer wieder gefragt, wie es möglich war, eine derart gut befestigte Stadt einzunehmen. Die Geschichtsschreiber Xenophon und Herodot berichten, wie es geschehen konnte:
„Die angreifenden Perser unter Kyrus, die Babylon belagerten, sahen ein, dass sie kaum in der Lage waren, die massiven Mauern zu durchbrechen oder zu erstürmen. Sie entdeckten jedoch, dass der Euphrat unter diesen Mauern hindurch mitten durch die Stadt floss und machten sich diesen Umstand zunutze: Sie hoben tiefe Gräben aus, um den Fluss umzuleiten. In einer Nacht, in der in Babylon ein orgienhaftes Fest gefeiert wurde, öffneten sie die Gräben und konnten unter der Führung zweier babylonischer Deserteure über das nun halbtrockene Flussbett in die Stadt eindringen. Die ahnungslosen Babylonier, die lange genug die scheinbar hilflosen Belagerer von den Mauern herab verhöhnt hatten, waren völlig überrumpelt“.
So fiel die Stadt Babylon in aller Stille: Merrill F. Unger schreibt: „Am 13. Oktober 539 v.Chr. fiel Babylon durch Cyrus von Persien, und von der Zeit an begann der Verfall der Stadt. Xerxes (Ahasveros) plünderte sie. Alexander der Große wollte ihren großen Tempel wiederaufbauen, der zu seiner Zeit in Ruinen lag, wurde aber druch die unerschwinglichen Kosten davon abgehalten. In der Zeit der Nachfolger Alexanders verfiel das Gebiet immer mehr und wurde bald zur Wüste.“
G. A. Larue ergänzt:
“Die Stadt ging von einer Hand in die andere über, bis sie schließlich in den Besitz der Seleukiden gelangte. So verwüstet war die einst schöne Stadt, dass ein Wiederaufbau genauso kostspielig erschien wie der Bau einer neuen Stadt, und die Seleukiden entschlossen sich zu Letzterem. Die Stadt Seleukia wurde 65 km nördlich von Babylon am Tigris erbaut, und nach und nach zogen Handel und Industrie von Babylon nach Seleukia.“ (Erfüllung von Vorhersage 1)
Während der Regierungszeit des römischen Kaisers Augustus (27 vor Christus – 14 nach Christus) bereiste der Geschichtsschreiber Strabo die Gegend und berichtete über Babylon: „Doch große Wüstenei ist jetzt die große Stadt.“ ( Erfüllung von Vorhersage 1)
Kaiser Trajan kam rund hundert Jahre später (116 n.Chr.) dorthin und fand dort „Schutthalden, Steine und Ruinen“, wie Cassius Dio berichtet. (Erfüllung von Vorhersage 1)
363 n.Chr. zog Kaiser Julian in den Krieg gegen die sassanidischen Herrscher Persiens und zerstörte während eines seiner Feldzüge die Mauern Babylons, um das Gebiet als Jagdgrund zu nutzen. (Erfüllung von Vorhersage 5)
George Davis berichtet: „Professor Kerman Kilprect schreibt in seinem Buch >Explorations in Bible Lands in the Nineteenth Century<: Welch ein Kontrast zwischen der antiken Zivilisation und dem heutigen Verfall: Wilde Tiere – Wildschweine und Hyänen, Schakale, Wölfe und gelegentlich auch Löwen – hausen in der Wildnis.“ (Erfüllung von Vorhersage 5)
Floyd E. Hamilton schreibt in seinem Buch: The Basis of Christian Faith: „Reisende berichten, dass die Stadt Baylon absolut unbewohnt ist, selbst von Beduinen. Es gibt gewisse abergläubische Ansichten unter den Arabern, die sie davon abhalten, dort ihre Zelte aufzuschlagen, während die Natur des Bodens jegliches Pflanzenwachstum, das zur Weide der Herde geeignet wäre, verhindert.“ (Erfüllung der Vorhersagen 2 – 5)
Der Mathematiker Peter Stoner äußert sich in seinem Buch „Science speaks“ auch zu Vorhersage 6, dass die Steine nicht für andere Bauarbeiten benutzt werden (Jer 51, 26). Er schreibt: „Ziegel und Baumaterial verschiedenster Art hat man zum Bau der umliegenden Städte aus den Ruinen geborgen. Aber die Felsblöcke (also die Eck- und Grundsteine), deren Import nach Babylon mit so großen Kosten verbunden gewesen war, sind nie entfernt worden.“ Zu Vorhersage 7, dass die ehemalige Stadt nicht mehr besucht werden wird (Jer 51, 43), schreibt Stoner: „Obgleich nahezu alle antiken Städte beliebte Touristenziele sind, ist dies bei Babylon nicht der Fall, und es wird selten aufgesucht.“ Wo einst die Weltstadt Babylon stand, „steht heute ein Pfahl mit einer hölzernen Tafel und der Inschrift: >Haltepunkt Babylon. Züge halten hier nur nach Bedarf.<“
Den bis heute letzten Versuch, die antike Stadt Babylon wieder aufzubauen, unternahm der irakische Diktator Saddam Hussein. Er scheiterte mit seinem Vorhaben jedoch genauso wie bereits andere vor ihm.Vorhersage 8 kündigt an, dass das Gebiet der ehemaligen Stadt Babylon von Wassersümpfen bedeckt werden wird (Jes 14, 23). – Dazu führt die Encyclopaedia Britannica aus: „Ein großer Teil der alten, unter einem tiefen Schlammbett begrabenen Stadt muss noch gefunden werden. Und das Babylon Hamurabis, von dem man nur die blassesten Spuren gefunden hat, liegt heute unter der Wasserfläche.“
Der bereits erwähnte Mathematiker und Spezialist für Wahrscheinlichkeitsrechnung Prof. Dr. Peter Stoner hat die ersten sieben Vorhersagen zur Stadt Babylon und ihrem Schicksal untersucht und sich dabei gefragt, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, dass diese sieben Vorhersagen, durch reinen Zufall hätten eintreffen können. Er schreibt: „Die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung eines jeden Punktes in der babylonischen Prophezeiung errechnet sich wie folgt: 1 zu 10 für die Zerstörung; 1 zu 100, dass die Stadt nie wieder bewohnt werden sollte; 1 zu 200, dass Araber dort keine Zelte aufschlagen würden; 1 zu 4, dass dort keine Herden lagern würden; 1 zu 5, dass wilde Tiere in den Ruinen hausen würden; 1 zu 100, dass Eck- und Grundsteine nicht für andere Gebäude verwendet werden sollten; 1 zu 10, dass die Ruinen nicht mehr besucht werden. Dies ergibt eine Wahrscheinlichkeit für die gesamte Prophetie von 1 zu 5 Milliarden.“
Der Anschaulichkeit halber sei hier noch einmal das Beispiel der Ameisen genannt: Angenommen, das Becken eines Schwimmbades wäre mit 5 Milliarden schwarzen Waldameisen gefüllt. Unter diesen 5 Milliarden schwarzen Waldameisen befände sich auch eine einzige rote Waldameise. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit verbundenen Augen aus den 5 Milliarden schwarzen Ameisen zufälligdie eine rote Ameise herausfischen könnte, wenn er nur einmal zugreifen darf? Die Wahrscheinlichkeit ist so klein, dass man sie sich kaum noch vorstellen kann. Genauso klein ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Prophezeiungen der Bibel über die Stadt Babylon durch Zufall erfüllt haben könnten.
Unterwegs zur Erfüllung?
Die Prophezeiung Hesekiels über das Tote Meer.
Die Bibel enthält eine Fülle bereits erfüllter Prophezeiungen. Sie enthält auch Prophezeiungen, deren Erfüllung noch aussteht. Sie enthält aber auch Prophezeiungen, die sich auf dem Weg zu ihrer Erfüllung befinden. Diese Prophezeiungen sind noch nicht vollständig realisiert, es lässt sich aber bereits erkennen, dass sie auf ihre Erfüllung zustreben. Man könnte sie „Unterwegs-Prophezeiungen“ nennen. Eine dieser „Unterwegs-Prophezeiungen“ ist (möglicherweise) die Vorhersage des Propheten Hesekiel über das Tote Meer im Land Israel sein. Dort heißt es:
"Und er führte mich wieder zu der Tür des Tempels. Und siehe, da floss ein Wasser heraus unter der Schwelle des Tempels nach Osten; denn die vordere Seite des Tempels lag gegen Osten. Und das Wasser lief unten an der südlichen Seitenwand des Tempels hinab, südlich am Altar vorbei. Und er führte mich hinaus durch das Tor im Norden und brachte mich außen herum zum äußeren Tor im Osten; und siehe, das Wasser sprang heraus aus seiner südlichen Seitenwand. Und der Mann ging heraus nach Osten und hatte eine Messschnur in der Hand, und er maß tausend Ellen und ließ mich durch das Wasser gehen; da ging es mir bis an die Knöchel. Und er maß abermals tausend Ellen und ließ mich durch das Wasser gehen: da ging es mir bis an die Knie; und er maß noch tausend Ellen und ließ mich durch das Wasser gehen: da ging es mir bis an die Lenden. Da maß er noch tausend Ellen: da war es ein Strom, so tief, dass ich nicht mehr hindurchgehen konnte; denn das Wasser war so hoch, dass man schwimmen musste und nicht hindurchgehen konnte. Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, hast du das gesehen? Und er führte mich zurück am Ufer des Flusses entlang. Und als ich zurückkam, siehe, da standen sehr viele Bäume am Ufer auf beiden Seiten. Und er sprach zu mir: Dies Wasser fließt hinaus in das östliche Gebiet und weiter hinab zum Jordantal und mündet ins Tote Meer. Und wenn es ins Meer fließt, soll dessen Wasser gesund werden, und alles, was darin lebt und webt, wohin der Strom kommt, das soll leben. Und es soll sehr viele Fische dort geben, wenn dieses Wasser dorthin kommt; und alles soll gesund werden und leben, wohin dieser Strom kommt. Und es werden an ihm die Fischer stehen. Von En-Gedi bis nach En-Eglajim wird man die Fischgarne aufspannen; denn es wird dort sehr viele Fische von aller Art geben wie im großen Meer. Aber die Teiche und Lachen daneben werden nicht gesund werden, sondern man soll daraus Salz gewinnen. Und an dem Strom werden an seinem Ufer auf beiden Seiten allerlei fruchtbare Bäume wachsen; und ihre Blätter werden nicht verwelken und mit ihren Früchten hat es kein Ende. Sie werden alle Monate neue Früchte bringen; denn ihr Wasser fließt aus dem Heiligtum. Ihre Früchte werden zur Speise dienen und ihre Blätter zur Arznei (Hesekiel 47, 1 – 12)."
Jeder, der das Land Israel bereist hat, kennt das Tote Meer im Süden Israels. Es trägt seinen Namen völlig zu Recht: Durch den hohen Salzgehalt ist kein Leben in diesem Gewässer möglich. Allerdings wird an einigen Stellen Salz gewonnen, das unter anderem bei der Körperpflege Verwendung findet.
Der Wasserspiegel des Toten Meeres sinkt nun seit einigen Jahren kontinuierlich, pro Jahr um ungefähr 1 Meter. Noch vor 15 Jahren hatte das Tote Meer eine Länge von 80 Kilometern. Heute (im Jahr 2011) sind es noch 50 Kilometer. Der Badeort Ein-Gedi, der früher direkt am Ufer des Toten Meeres lag, ist heute so weit entfernt, dass Besucher einen Zug benutzen müssen, um ans Wasser zu kommen. Umweltschützer befürchten, dass das Tote Meer im Jahr 2050 bereits völlig verschwunden sein könnte.
Der Rückgang des Toten Meeres brachte nun aber auch eine überraschende Entdeckung mit sich: Im ausgetrockneten Bereich des Gewässers zeigten sich Süßwasserquellen. Diese Quellen waren immer schon vorhanden gewesen, wurden nun aber direkt sichtbar. Geologen fanden heraus, dass diese Quellen aus Regenwasser gespeist werden, das über den Judäischen Bergen niedergeht. Das Wasser sammelt sich, fließt unter dem Tempelberg unterirdisch nach Osten ab und kommt am Toten Meer wieder zutage.
Mittlerweile hat sich durch das Wasser dieser Quellen in unmittelbarer Nähe zum Toten Meer eine ausgedehnte Seenlandschaft gebildet, die von meterhohem Schilf, aber auch von vielen Bäumen (z. B. Palmen) gesäumt ist. In diesen Seen, die von der Öffentlichkeit durch Zäune abgeschirmt ist und nur wenigen zugänglich ist, hat sich reges Leben entwickelt: Die Seen sind voller Fische.
Natürlich hat
man sich gefragt, was die Ursache dieses Fischreichtums sein könnte. Vermutungen gehen dahin, dass wahrscheinlich Wasservögel befruchtete Fischeier eingeschleppt und so die Entwicklung der
Fischpopulationen in Gang gesetzt haben.
Seen-Landschaft in unmittelbarer Nähe zum Toten Meer.
Seen-Landschaft mit Schilfgürtel in unmittelbarer Nähe zum Toten Meer.
See mit Fischen in unmittelbarer Nähe zum Toten Meer.
An dieser Stelle kommt nun die Prophezeiung aus Hesekiel 47 ins Spiel. Sie kündigt für die Zukunft die folgenden Ereignisse an:
1. Der Tempel wird wieder auf dem Tempelberg in Jerusalem stehen.
2. Unter dem Tempel, wird ein Wasserstrom in Richtung Osten fließen und ins Tote Meer münden.
3. Viele Bäume werden auf beiden Seiten des Stromes wachsen.
4. Das Wasser des Toten Meeres wird gesund werden. Es wird wieder Leben darin möglich sein.
5. Es wird dort sehr viele Fische geben.
6. Fischer werden im (dann gesundeten) Toten Meer ihre Netze auswerfen und Fische fangen.
7. Ein kleiner Teil des Toten Meers wird nicht gesunden, sondern weiterhin der Salzgewinnung dienen.
Die erste Vorhersage hat sich noch nicht erfüllt. Anstelle des Tempels steht heute der muslimische Felsendom auf dem Tempelberg.
Die zweite und die dritte Vorhersage haben sich bereits teilweise erfüllt: Der Wasserstrom existiert. Er fließt allerdings noch unterirdisch. Es spricht aber grundsätzlich nichts dagegen, dass er eines Tages an die Oberfläche durchbrechen wird und dass dann Bäume an seinem Ufer wachsen werden.
Die vierte Vorhersage ist zu großen Teilen erfüllt: In unmittelbarer Nähe des Toten Meeres gibt es jetzt schon Seen mit gesundem Wasser, in dem Leben wieder möglich ist.
Auch die fünfte Vorhersage hat sich bereits realisiert: Es gibt in den neu entstandenen Seen bereits einen großen Fischreichtum.
Vorhersage Nr. 6 ist heute noch nicht Realität. Es gibt noch keine Fischer, die in dem neu entstehenden „Toten Meer“ ihre Netze auswerfen. Aber es ist durchaus vorstellbar, dass es in einigen Jahren (oder Jahrzehnten) so weit sein könnte.
Die siebte Vorhersage ist besonders interessant, weil sie ein völlig neues Licht auf die fortschreitende Austrocknung des Toten Meeres wirft: Wenn es zutrifft, dass Hesekiels Prophezeiung unterwegs zu ihrer Erfüllung ist, dann wäre die Austrocknung des Toten Meeres Teil dieser Erfüllung. Es wäre dann zu erwarten, dass sich die Austrocknung fortsetzen wird, dass aber ein Teil des Toten Meeres (wie man es heute kennt) bestehen bleiben wird, und dass dort weiterhin Salz gewonnen werden wird.
Hesekiels Prophezeiung ist darum so faszinierend, weil sie noch nicht umfassend zur Erfüllung gekommen ist, aber auf dem besten Weg dorthin zu sein scheint. Hesekiels Prophezeiung und die Vorgänge am Toten Meer heute könnten also eine Prophezeiung zeigen, die unterwegs ist zu ihrer Erfüllung: Was in Hesekiels Vorhersage noch phantastisch anmutet, wird im Licht der gegenwärtigen Ereignisse plötzlich fassbar und realitätsnah. Es wird spannend sein, in den kommenden Jahren die Entwicklung der Dinge am Toten Meer weiter zu beobachten.
Bilanz
Biblischer Glaube ist immer ein Glaube, der an Fakten interessiert ist. Biblischer Glaube ist immer ein Glaube, der auf einem Fundament bestehend aus Daten und Fakten ruht. Die Fakten ersetzen den Glauben nicht. Aber sie bilden sein Fundament. Es ist zum Beispiel nicht gleichgültig, ob ein König David gelebt hat oder nicht, denn eine ganze Kette biblischer Verheißungen sind mit seinem Namen verbunden. Es ist auch nicht gleichgültig, ob es einen Mose gab, der das Volk Israel aus Ägypten führte, einen Josua, der die Landnahme des Volkes Israel leitete oder einen Hiskia, der dem Lebendigen Gott in schwerer Zeit vertraute und sein rettendes und befreiendes Handeln erlebte. Es ist ebenfalls nicht gleichgültig, ob biblische Prophezeiungen sich erfüllt haben oder nicht, hat doch der Lebendige Gott sich selbst als Person an sein Wort gebunden.
Die Bibel bezeugt einen Gott, der in der Geschichte, also in Raum und Zeit handelt: Darum hat sie ein großes Interesse an verifizierbaren Daten und Fakten.
Dieser schlaglichtartige Überblick hat gezeigt, dass es um das Fundament von Daten und Fakten in der Bibel denkbar gut bestellt ist. Wer bereit ist, sich die Zeit zu nehmen, um die biblischen Texte in Tiefe kennen zu lernen, stößt immer wieder auf konkrete Namen, Personen, Orte, Ereignisse und kulturelle Besonderheiten, die von der Bibel bezeugt und von außerbiblischen Quellen, sowie den Erkenntnissen der Archäologie bestätigt werden.
Wer der Bibel mit Offenheit und Vertrauen begegnet, entdeckt, was
sie in Wahrheit ist: Gottes zuverlässige Urkunde.
Rätselhafter Zorn Gottes
Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Wesen und alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten. (Die Bibel, Römerbrief 1, 18)
Als die ehemalige Gastwirtin Marianne Bachmeier im Städtischen Krankenhaus Süd in Lübeck im Alter von 46 Jahren einem Krebsleiden erlag, da ging diese Nachricht sofort um die Welt. Und: Die ganze tragische Geschichte dieser Frau wurde noch einmal in den Erinnerungen der Menschen lebendig: Am 6. März 1981 hatte sie in einem Lübecker Gerichtssaal den Mann erschossen, der verdächtigt wurde, ihre siebenjährige Tochter getötet zu haben.
Frau Bachmeiers Tat hatte Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts heftige Diskussionen in der Öffentlichkeit ausgelöst. Erstaunlich viele Menschen stellten sich damals innerlich bewusst oder unbewusst auf ihre Seite: Der glühende, erbarmungslose Zorn dieser Mutter, die den Tod des mutmaßlichen Mörders ihrer Tochter gefordert und vollstreckt hatte, war etwas, das das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen auf eigentümliche Weise berührte. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Geschichte der Bachmeier mehrfach verfilmt wurde und von Millionen Menschen in den Kinos gesehen wurde? Viele konnten den unerbittlichen Zorn dieser Mutter wenn nicht gutheißen, so doch irgendwie verstehen ...
Ganz anders sieht es aus, wenn der Zorn eines anderen – der Zorn Gottes – irgendwie und irgendwo zum Gesprächsthema wird: Peinlich berührtes Schweigen ist fast noch die positivste Reaktion, die dann zu erhalten ist. In der Regel aber fallen die Urteile härter aus: Die Spannbreite reicht von verständnisloser eisiger Ablehnung bis hin zu glühendem Protest. Und selbst Menschen, die sonst keinen Gedanken an den lieben Gott verschwenden, reagieren an dieser Stelle hochsensibel. Der „Zorn Gottes“ ist ein Un-Wort. „Der Zorn Gottes“ ist ein Thema, über dem weithin der Mantel des Schweigens liegt. Und wer diesen Mantel lupft, tut gut daran, sich warm anzuziehen! Denn er muss mit Böen rechnen und kaltem Wind, der ins Gesicht weht.
Einer, der dazu bereit war ...
Einer, der den Mantel des Schweigens nicht nur gelupft, sondern sogar entschlossen weggezogen hat, ist der Mann, aus dessen Feder der wohl bekannteste Brief des Neuen Testamentes stammt: Der
Römerbrief, verfasst von Paulus von Tarsus, Missionar und Völkerapostel. Er hat sich ausführlich und unmissverständlich zum Zorn Gottes geäußert.
Das Ärgernis des Zornes Gottes.
Die Bibel, Römerbrief 1, 18: Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart ...
Gleich zu Beginn möchte ich Sie auf eine Tatsache aufmerksam machen, die leicht übersehen wird, die aber gleichwohl von sehr großer Bedeutung und Wichtigkeit ist. Die Tatsache ist diese: Paulus spricht vom Zorn Gottes unmittelbar nachdem er das Evangelium, also die gute Nachricht von Jesus, vorgestellt hat! Wie in einer Nussschale hat Paulus die wichtigsten Einzelheiten des Evangeliums zusammengefasst. Und jetzt, in dem Vers, der unmittelbar auf diese Kurzfassung des Evangeliums folgt, spricht Paulus sofort vom Zorn Gottes! Das ist auffällig.
Ich meine, Paulus hätte doch auch ganz anders weitermachen können nach Vers 17, als ausgerechnet mit dem „Zorn Gottes“! Er hätte doch zum Beispiel davon schreiben können, was für eine wunderbare Erfahrung das ist, wenn ein Mensch das Evangelium annimmt und wie viel besser es ihm danach geht. Paulus hätte auch davon schreiben können, was alles für Probleme im Leben gelöst werden, wenn Menschen die „Gute Nachricht von Jesus“ verstehen und annehmen und wie viele Bedürfnisse und Defizite danach endlich befriedig und behoben sind. Das hätte doch wirklich nahegelegen! Aber Paulus schreibt nichts dergleichen! Er beginnt die Entfaltung der „Guten Nachricht von Jesus“ mit einem höchst riskanten Thema: Dem Zorn Gottes.
Und die Frage lautet: Warum tut er das? Warum riskiert er, dass seine Leser seinen Brief empört zusammenknüllen und in den Papierkorb schmeißen? Warum wagt er sich hinein in dieses unangenehme Reizthema?
Die Antwort lautet: Weil das „Evangelium von Jesus“ und der „Zorn Gottes“ zwei Dinge sind, die unmittelbar zusammengehören. Wo man von dem einen spricht, muss man auch von dem anderen reden! Es geht nicht anders!
Denn die größte und herrlichste und wichtigste Wirkung des Evangeliums ist die, dass es vor dem Zorn Gottes rettet. Nicht Bedürfnisse oder Befindlichkeiten von Menschen sind das Hauptanliegen des Evangeliums, auch nicht Glück, Harmonie oder Wohlbefinden in unserm Leben! Sondern die Rettung vor dem Zorn Gottes! Das ist das Anliegen der „Guten Nachricht von Jesus“!
Und darum präsentiert Paulus seine Ausführungen zum „Zorn Gottes“ direkt und unmittelbar, nachdem er das Evangelium vorgestellt hat. Und damit ist klar: Das Evangelium von Jesus ist nicht ausgerichtet auf menschliche Bedürfnisse und Forderungen und Ansprüche. Es ist total ausgerichtet auf Gott in Person! Denn es bietet Rettung an vor dem Zorn Gottes.
Nun, das liegt natürlich quer zu allem, was Menschen von Gott erwarten und ersehnen (sofern sie überhaupt etwas von ihm erwarten oder ersehnen!). Vom Zorn Gottes will kein Mensch etwas hören.
„Nein, so einen Gott kann ich nicht akzeptieren!“, sagen viele Leute. „Ein Gott, der zornig ist, entspricht meinen Vorstellungen in keiner Weise. Gott muss weise sein und gut und tolerant und geduldig! Aber doch kein Gott des Zorns! Und wenn das Evangelium vor dem Zorn Gottes rettet, dann ist es absolut nicht mein Ding! Nein, uns nüchternen, aufgeklärten Leuten von heute kann man nun wirklich nicht mehr mit dem Zorn Gottes kommen. Und bitte, erzählen Sie solche Schmarren vom Zorn Gottes bloß nicht unsern Kindern. Die sollen sowas gar nicht erst hören!“
„Es ist doch ganz klar“, fügen die psychologisch Gebildeten hinzu: Der zornige Gott ist nur eine Projektion! Da haben Menschen als Kinder Angst gehabt vor ihrem Vater und sich gefürchtet vor seinem Zorn. Und jetzt projizieren sie ihre Ängste weiter auf Gott und meinen, der wäre ein Gott des Zorns. Nein, das lässt sich alles psychologisch erklären und auflösen: Nehmt den Menschen ihre Ängste vor ihren irdischen Vätern und schon löst sich auch der Gott des Zorns in Wohlgefallen auf!“
„Und überhaupt!“ melden sich die liberalen Theologen zu Wort: „Die Vorstellung eines zornigen Gottes ist doch eine ganz und gar alte und überholte Tradition in der Bibel. Nur im Alten Testament spuken da noch so ein paar Vorstellungen herum von einem zornigen Gott. Aber ansonsten haben die biblischen Traditionen derartige Abfallprodukte doch sehr schnell hinter sich gelassen: Bei Jesus da gibt´s jedenfalls nur noch den immer liebenden, toleranten und allversöhnenden Gott.“
Aber das stimmt nicht! Du aber mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen, heißt es zwei Kapitel weiter im Römerbrief (Die Bibel, Römerbrief 2, 5), häufst dir selbst Zorn an auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes. Und weiter, im Römerbrief 3, 5, stellt Paulus eine rhetorische Frage (eine Frage, auf die die Antwort „Nein“ zu erwarten ist): Ist Gott etwa ungerecht, wenn er uns mit Zorn heimsucht? Und dann wenig später, in Kapitel 4 des Römerbriefs (Die Bibel, Römerbrief 4, 15) taucht dasselbe Thema schon wieder auf: Das Gesetz richtet nur Zorn an! heißt es da. Und dann noch stärker, im fünften Kapitel des Römerbriefes (Die Bibel, Römerbrief 5, 9), da findet sich noch so eine rhetorische Frage): Um wie viel mehr werden wir durch Jesus bewahrt werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind? Und schließlich (im Römerbrief 12, 19) findet sich folgende Anweisung für Christen: Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes!
Und wenn Sie dann weiterblättern, in die weiteren Bücher des Neuen Testaments, stoßen Sie immer wieder auf dieses Thema ... Zum Beispiel im Epheserbrief 2, 3: Auch wir haben alle einst unser Leben geführt, heißt es da, in den Begierden des Fleisches und waren Kinder des Zorns von Natur aus wie auch die anderen. Und weiter im Kolosserbrief 3, 5 – 6. Dort findet sich diese Aussage: Also trennt euch ganz entschieden von allen selbstsüchtigen Wünschen, wie sie für diese Welt kennzeichnend sind ... Wer diese Dinge in seinem Leben duldet, wird Gottes gerechten Zorn zu spüren bekommen. Und noch einmal im 1. Thessalonicherbrief 1, 10: Dort treffen wir auf folgende Aussage: Jeder weiß auch, wie sehr ihr auf Gottes Sohn wartet, auf Jesus, den er von den Toten auferweckt hat und der für alle sichtbar wiederkommen wird. Er allein rettet uns vor Gottes Zorn im kommenden Gericht.
Und jetzt denken Sie an Johannes, den Täufer ... Vielleicht haben Sie von Johannes, dem Täufer, gehört? Was hat der seinen Leuten gesagt? Hat der ihnen gesagt: „Ich möchte euch von einigen wunderbaren Erfahrungen berichten, die euer Leben bereichern und viele eurer Probleme lösen werden?“ Nein, das hat er nicht gesagt! Er hat dies gesagt: Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: „Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?“ (Die Bibel, Lukasevangelium 3, 7)
Und Jesus selbst, was hat er den Leuten gesagt? Er hat gesagt: „Kehrt um!“ Und er hat hinzugefügt (Die Bibel, Johannesevangelium 3, 36): Wer den Sohn (also ihn) hat, der hat das ewige Leben. Wer aber den Sohn nicht hat, der hat auch das Leben nicht, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm!
Sie merken: Es ist überall in der
Bibel ... Es ist bei den Aposteln ... Es ist bei Johannes, dem Täufer ... Es ist bei Jesus: Wo immer das Evangelium verkündet wird, ist immer auch sofort vom Zorn Gottes die
Rede.
Das Wesen des Zornes Gottes.
Noch einmal die Bibel, Römerbrief 1, 18: Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart ...
Wenn wir das Wesen vom Zorn Gottes erfassen wollen, müssen wir eines zunächst klarstellen: Er ist nicht wie der Zorn von Menschen! Wenn Sie sich noch einmal an das Leben der Marianne Bachmeier erinnern, da haben Sie den Zorn nach Menschenart vor sich: Da begeht jemand, der vor Zorn völlig außer sich ist, Dinge, die er sonst nie tun würde, und die ihm hinterher, wenn der Zorn verraucht ist, vielleicht auch sehr, sehr leid tun! So ist der Zorn von uns Menschen: Er bewirkt, dass wir außer uns sind und Dinge tun, die oft böse und voller Unrecht sind.
Und so ist der Zorn Gottes nicht! Der Zorn Gottes ist nicht von der Art, dass Gott außer sich ist und dann über die Maßen hart zufasst. Sondern: Der Zorn Gottes ist gewissermaßen ein Grundzug seines Wesens. Etwas, das immer da ist, nicht nur gelegentlich. Etwas, das aber in der Tat furchterregend sein kann.
Wie können wir das genauer fassen? Zwei Sätze aus dem 1. Johannesbrief helfen uns weiter (Die Bibel, 1. Johannesbrief 1, 5 – 6). Dort heißt es: Das ist die Botschaft, die wir von Ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit!
Hier werden die Dinge klarer: Gottes Charakter ist Licht, nur Licht. Es ist absolut nichts Zwielichtiges oder gar Dunkles an ihm. Und das bedeutet: Gott steht von seinem ganzen Wesen her unerbittlich gegen alles, was zwielichtig und dunkel ist. Er steht unerbittlich gegen alles, was böse, gemein, ungerecht oder unrein ist. Gott hat keine Gemeinschaft mit Dunkelheit in jedweder Form. Er lässt nichts das geringste bisschen Unrecht, Bosheit oder Unreinheit in seiner Nähe zu. Im Gegenteil: Er hasst das Böse. Und stößt es unerbittlich von sich! Gott macht keinerlei Kompromisse mit dem Bösen, egal wie versteckt oder fein es auftritt. Er fasst auf das Böse zu, richtet es und verstößt es auf ewig. Er ist knallhart in seinem Umgang mit Bösem. Er ist knallhart in seinem Zorn. Er ist vollkommen kompromisslos! So ist das Wesen von Gottes Zorn.
Und nun gehen wir einen Schritt weiter ... Die Bibel erklärt, dass der Zorn Gottes vom Himmel her offenbart ist (Die Bibel, Römerbrief 1, 18). „Vom Himmel her“ bedeutet, dass Gott seinen Zorn mit ganzer Kraft, mit voller Autorität wirken lässt. Das ist leicht zu verstehen. Aber wie soll man sich das andere vorstellen? Wie sieht das konkret und praktisch aus, dass Gott seinen Zorn „offenbart“, also sichtbar macht?
Nun, Gott tut das auf recht verschiedene Art und Weise. Und die Bibel verrät uns auch bereitwillig Näheres dazu. Aber: So verschieden die Wirkungsweisen des Zornes Gottes im einzelnen sind, sie haben doch alle eines gemeinsam: Sie sind „offenbart“, das heißt: Sie sind sichtbar. Man kann sie alle sehen und erleben. Schauen wir also näher hin: Wie „offenbart“, wie zeigt sich der Zorn Gottes?
Er zeigt sich zunächst in unserem Gewissen. Das ist das erste. Jeder Mensch, egal ob er Gott persönlich kennt oder nicht, hat ein natürliches Empfinden für „gut“ und „böse“, das in ihm da ist und das er einfach nicht loswird. Jeder Mensch hat ein Empfinden dafür, dass böses Tun nicht einfach folgenlos bleiben, sondern Konsequenzen haben sollte. Und kein Mensch kommt völlig zur Ruhe über dem Bösen, das er getan hat:
So hat zum Beispiel ein anonymer Deutscher an die griechische Botschaft nach mehr als 40 Jahren einen mehrere Pfund schweren Marmorstein geschickt. In dem Begleitbrief schrieb der Mann: „Dieser Stein gehört nach Griechenland. Vor vielen Jahren habe ich ihn von der Akropolis entfernt und mitgenommen. Ich gebe ihn jetzt zurück. Wegen meines Alters werde ich Athen wohl nicht mehr besuchen. Bitte stellen Sie sicher, dass der Stein an den Athene-Tempel zurückgelegt wird.“
Eine erstaunliche Sache, finden Sie nicht auch: 40 Jahre hat der Mann mit dem gestohlenen Marmorstein gelebt. 40 Jahre lang konnte er sich nicht von ihm trennen. Und doch kam er nicht zur Ruhe über seinem unrechtmäßigen Besitz. Sein Gewissen gab nicht nach. Und das ist die erste Wirkungsweise des Zornes Gottes: Er klagt uns an in unserem Gewissen! Im 2. Kapitel des Römerbriefes wird dieser Sachverhalt auf den Punkt gebracht. Es heißt dort, dass selbst Menschen, die Gott nicht kennen, doch ein Gewissen haben, das sie anklagt, wenn sie Böses tun.
Und weiter: Gottes Zorn zeigt sich auch dadurch, dass das Böse, das wir tun, Folgen für unser Leben hat. Das ist das Zweite. Jedes Unrecht, das wir tun – und sei es noch so klein und versteckt – hat Folgen! Zerstörerische Folgen, die sich auf andere Menschen, aber auch auf uns selbst auswirken. Gott hat festgelegt, dass das so sein soll. Und auch das ist eine Auswirkung seines Zorns.
Stellen Sie sich vor, da ist jemand, der jeden Tag negativ über andere Menschen redet. Er macht das geschickt und schwer erkennbar. Aber Fakt ist: Er redet negativ über andere hinter ihrem Rücken. Er redet Halbwahres, Ganzfalsches und auch Zutreffendes. Aber in allem redet er negativ, zersetzend. Und was geschieht? Es geschieht Zerstörung! Es werden Beziehungen zerstört. Es wird Misstrauen gesät. Und mit der Zeit wird ein Mensch, der negativ redet, immer etwas isolierter und einsamer werden. Sein negatives Reden wirkt auf ihn selbst zurück. Seine Gefühle und Gedanken werden langsam immer negativer eingefärbt. Und so zerstört er langsam sich selbst und sein eigenes Leben.
Es funktioniert wie ein Naturgesetz. Kein Mensch kann sich dem entziehen. Und auch das ist eine Auswirkung von Gottes Zorn.
Und weiter: Wie zeigt sich der Zorn Gottes noch? Er zeigt sich auch im Zustand der Welt, in der wir leben. Das ist das dritte. Der Zustand der Schöpfung, in der wir uns bewegen, ist nicht gut, sondern unnatürlich und krank. Das Leben auf der Erde ist geprägt von Mühsal und Kampf. Und auch das ist eine Auswirkung von Gottes Zorn.
Als die zwei ersten Menschen (Eva und Adam) das Böse in die Welt brachten (indem sie Gott misstrauten und seinen Willen brachen), da legte Gott einen Fluch auf die Erde. Verflucht sei der Acker um deinetwillen, sagte Gott damals zu Adam. Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen ... Im Schweiß deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist (Die Bibel, 1. Mose 3, 17 – 19). So lautete der Fluch Gottes. Und der wirkt sich aus bis heute. Wirkt sich aus in Mühsal und Kampf. Wirkt sich aus in Krankheit und Schmerz. Wirkt sich aus in Schwäche und körperlichem Sterben.
Wissen Sie, was mich immer wieder sehr bewegt, wenn ich mit Menschen zusammensitze, die gerade einen Angehörigen verloren haben: Es ist die Mühsal des Lebens! Da sitzen wir dann irgendwo in einem Zimmer und lassen das Leben des Verstorbenen Revue passieren und sprechen über die Stationen seines Lebens. Und fast immer ist dann so ein Leben voller Mühsal gewesen, voller Kampf und auch Schmerz. Und am Ende steht der körperliche Tod: Grausam und willkürlich. Und auch das ist eine Auswirkung von Gottes Zorn.
Und dann: Der Zorn Gottes zeigt sich auch darin, dass er einzelne Menschen jetzt schon - in diesem Leben - zur Verantwortung zieht, für das Böse, das sie tun. Konkret sieht das oft so aus, dass er Menschen einfach in die bitteren Folgen ihres Tuns hineinlaufen lässt. Allerdings – und das ist wichtig – tut Gott das nicht immer sofort und auch nicht bei allen in gleicher Weise. In der Bibel, im 1. Timotheusbrief wird das näher erklärt. Und dort heißt es: Die Sünden mancher Menschen kann jeder sehen; sie sind schon vor dem Gerichtstag Gottes allen offenkundig. Die Sünden anderer wieder bleiben uns verborgen; erst Gott wird sie einmal aufdecken.
Das heißt: Manchmal richtet Gott schon zu Lebzeiten das Unrecht von Menschen. Aber er tut es nicht immer. Manchmal vergeht auch viel Zeit, bis Gott eingreift. Und einiges wird erst in der Ewigkeit wirklich zur Sprache kommen. Aber immer wirkt der Zorn Gottes sich aus: Langsam oder rasch, spätestens in der Ewigkeit.
Ein bekannter evangelikaler Theologe berichtet in einem seiner Bücher von einer Gruppe christlicher Farmer in den Vereinigten Staaten, die große Probleme mit einem atheistischen Kollegen hatten. Dieser Farmer besaß ein Stück Ackerland direkt neben der Kirche. Jeden Sonntag zur Gottesdienstzeit pflegte er mit seinem größten Traktor auf diesem Feld zu arbeiten: Um den Gottesdienst zu stören und um seiner Missachtung Gottes Ausdruck zu verleihen. Eines Tages schrieb er sogar einen Brief an den Redakteur der Regionalzeitung. Darin hieß es: „Lieber Herr Redakteur, ich glaube nicht an Gott, und ich missachte bewusst den Sonntag als Tag des Herrn. Trotzdem habe ich in diesem Oktober eine prachtvolle Ernte eingebracht. Ich habe sogar die höchsten Erträge in der ganzen Gegend. Wie erklären Sie das?“ Der Redakteur, ein feiner und erfahrener Christ veröffentlichte den Brief und schrieb darunter: „Gott präsentiert nicht alle Rechnungen im Oktober!“
Gott zieht jeden Menschen zur Verantwortung für sein Tun, wenn die Zeit dafür da ist. Und auch das ist eine Auswirkung seines Zorns.
Und schließlich: Der allerwichtigste Punkt, an dem der Zorn Gottes offenbar wird, ist das Kreuz Jesu. Wir verfehlen die wahre Bedeutung des Kreuzes Jesu, wenn wir darin nur ein Zeichen der Liebe Gottes sehen. Ich meine, natürlich ist es das auch: Ein Zeichen der Liebe Gottes. Aber es ist mehr als das: Es ist auch ein Zeichen des Zornes Gottes! Dass Gott die Menschen unsagbar liebt, das war längst bekannt, bevor Jesus kam. Die Propheten hatten es oft genug gesagt. Dafür wäre das Kreuz Jesu nicht nötig gewesen. Aber das Kreuz Jesu war nötig, weil Gott das Böse an einem Punkt richten wollte. Und dieser Punkt war eben der Tod seines sündlosen Sohnes Jesus am Kreuz. Gott hat damals seinen Zorn auf seinen einzigen Sohn gelenkt, damit der Zorn uns nicht treffen musste. Jesus hat große Angst gehabt vor diesem Vorgang. In Gethsemane – kurz vor seiner Verhaftung - hat er Blut geschwitzt vor Angst (Die Bibel, Matthäusevangelium 26, 39). Und später am Kreuz hat er in namenlosem Entsetzen diesen Schrei ausgestoßen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Die Bibel, Matthäusevangelium 27, 46) Was Jesus am Kreuz erfuhr, war der gebündelte, knallharte Zugriff des Zornes Gottes. Den hat Jesus hat abgefangen. Damit er uns nicht treffen muss. Und er hat unsagbar darunter gelitten. Und das ist die gewaltigste Auswirkung von Gottes Zorn.
Sie merken: Der Zorn Gottes ist
etwas Gewaltiges und Ehrfurchtgebietendes. Wir haben keine Chance, ihm standzuhalten – ohne Jesus. Nur mit Jesus, nur durch Jesus kann Gottes Zorn von
uns abgewendet werden. So sagt es das Evangelium!
Der Grund des Zornes Gottes.
Die Bibel, Römerbrief 1, 18: Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Wesen und alle Ungerechtigkeit der Menschen.
Der Grund des Zornes Gottes ist zweierlei ... Oder anders gesagt: Es sind zwei Dinge, auf die sich der Zorn Gottes grundsätzlich richtet. Und das ist zum einen das gottlose Wesen und zum andern die Ungerechtigkeit der Menschen.
Bitte beachten sie die Reihenfolge, sie ist wichtig! Paulus nennt zuerst das gottlose Wesen, und dann an zweiter Stelle die Ungerechtigkeit. Und jetzt wollen wir diese beiden Begriffe klarkriegen.
Am einfachsten geht das, wenn wir uns die Zehn Gebote vergegenwärtigen (Die Bibel, 2. Buch Mose 20). Die wurden bekanntlich auf zwei Tafeln niedergeschrieben. Auf der ersten Tafel finden sich alle Gebote, die die Beziehung der Menschen zu Gott regeln. Auf der zweiten Tafel stehen all die Gebote, die das Verhalten der Menschen untereinander betreffen. Und genau diese zwei Tafeln der Zehn Gebote hat Paulus im Hinterkopf, wenn er hier vom gottlosen Wesen einerseits und von der Ungerechtigkeit der Menschen andererseits schreibt.
Das gottlose Wesen betrifft die erste Tafel der Zehn Gebote, unsere Beziehung zu Gott. Die Ungerechtigkeit betrifft die zweite Tafel der Zehn Gebote, unser Verhalten anderen Menschen gegenüber. Mit dem gottlosen Wesen meint Paulus, dass unsere Beziehung zu Gott gestört (bzw. gar nicht vorhanden) ist. Mit Ungerechtigkeit meint er das konkrete einzelne Fehlverhalten andern Menschen gegenüber.
Natürlich hängen beide Dinge – die gestörte Beziehung zu Gott (das gottlose Wesen) und das konkrete Fehlverhalten anderen Menschen gegenüber (die Ungerechtigkeit) - zusammen. Aber es ist nicht zufällig, dass die Bibel das gottlose Wesen an erster Stelle nennt. Denn die persönliche Beziehung zu Gott ist immer das erste und grundlegende. Solange unsere Beziehung zu Gott intakt ist, handeln wir auch richtig. Erst wenn die Beziehung zu Gott gestört ist, taucht auch konkretes Fehlverhalten auf.
Man kann das sehr genau an Jesus sehen: Jesus lebte vom ersten Atemzug seines Lebens an in einer perfekten und durch nichts gestörten Beziehung zu Gott. Und darum war sein Leben auch ohne Fehlverhalten, ohne Sünde.
Oder denken Sie an die zwei ersten Menschen: Eva und Adam. Auch die lebten (zunächst) in einer perfekten, heilen Beziehung zu Gott. Und auch ihr Leben war ohne Sünde. Doch dann begannen sie eines Tages Gott zu misstrauen. Sie zerstörten die vollkommene Beziehung zu ihm durch Misstrauen und durch Gier. Und als das geschehen war, da brach alles zusammen. Da kamen Sünde und konkretes Fehlverhalten in ihr Leben hinein.
Also: Die persönliche Beziehung zu Gott ist immer das erste und grundlegende. Und das konkrete Verhalten anderen Menschen gegenüber folgt daraus. Und darum ist Gott auch immer zuerst daran interessiert, dass unsere Beziehung zu ihm stimmt. Das andere – das konkrete Verhalten anderen Menschen gegenüber – das ist auch hochwichtig. Aber zuallererst liegt Gott an unserer Beziehung zu ihm. Er will, dass wir mit jeder Faser unseres Lebens, mit jedem Gedanken, mit allen Gefühlen, mit 100% unseres Willens und mit 100% unserer Kraft auf ihn ausgerichtet sind. Alles, was wir an Sehnsucht, Liebe und Treue in unserm Herzen zur Verfügung haben, soll sich auf ihn richten. Das ist sein Wille. Das ist in Gottes Augen „normal“. Und wenn wir diesem seinen Willen, wenn wir dieser seiner Norm nicht entsprechen, dann leben wir in Sünde und haben den geballten Zorn Gottes gegen uns.
Und das ist wichtig! Es gibt nämlich eine ganze Reihe von Menschen, die an dieser Stelle einen folgenschweren Denkfehler machen. Sie leben meist ein moralisch ziemlich einwandfreies Leben: Sie brechen die Ehe nicht. Sie trinken nicht. Sie leben nicht mit ihrem Nachbarn im Streit. Sie haben ein sanftes Naturell. Sie sind für die Kirche. Und sie engagieren sich vielleicht auch noch für arbeitslose Jugendliche. Aber: Sie haben keine persönliche Beziehung zu Gott. Sie haben keine Vorstellung von der Herrlichkeit und der Heiligkeit Gottes. Sie wissen nicht, was es heißt, Gott zu lieben und ganz und gar auf ihn ausgerichtet zu sein. Sie können es nicht wissen, weil sie ja Gott nie kennengelernt haben! Sie kennen nur den Gott, den sie sich selbst zurechtgemacht haben. Und der ist mehr oder weniger eine vergrößerte Ausgabe ihrer selbst. Sie kämen nie auf den Gedanken, sie könnten unter dem Zorn Gottes stehen. Und doch ist es so! Denn ihnen fehlt das erste und Wichtigste: Eine intakte, heile Beziehung zu Gott. Menschen dieses Typs können recht zufriedene, glückliche Menschen sein. Vielleicht sogar Menschen mit positiver Ausstrahlung. Und doch stehen sie – ohne es zu ahnen – unter dem Zorn Gottes. Denn sie sind Menschen mit einem gottlosen Wesen. Menschen ohne intakte Beziehung zu Gott.
Der Zorn Gottes ist also anders, als man vermuten würde: Er richtet nicht nur gegen das einzelne Fehlverhalten in unserem Leben. Das tut er auch! Vor allem aber richtet er sich gegen eine falsche Grundeinstellung Gott gegenüber. Er richtet sich gegen unser stolzes, selbstgenügsames Leben, das ohne Beziehung zu Gott ruhig seine Kreise zieht, bis zum Zerbruch.
Ich fasse zusammen: Der Zorn Gottes ist real. Beunruhigend real. Erschreckend real. Unerbittlich real. Er ist Teil von Gottes Wesen, das ausschließlich Licht ist, und darum jede Form der Dunkelheit und des Bösen hasst. Gottes Zorn zeigt sich auf vielfache Weise. Man kann ihn wahrnehmen. Er zeigt sich konkret in dieser Welt und auch in unserm Leben. Und er richtet sich immer auf zweierlei: Auf unsere falsche Grundeinstellung Gott gegenüber (das ist das erste) und auf unser konkretes Fehlverhalten im Alltag (das ist das zweite).
Und das Allerwichtigste nochmal zum
Schluss: Wir haben dem Zorn Gottes nichts entgegenzusetzen. Aber Jesus hat das für uns getan. Er hat sich unter den gerechten Zorn Gottes gebeugt. Er hat seine vernichtende Kraft abgefangen,
damit sie uns nicht treffen muss. Jesus kam, um uns Menschen vor dem Zorn Gottes zu retten. Es gibt also Hoffnung!
Was ist das „Evangelium“?
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes zur Rettung für alle, die daran glauben: Die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Die Bibel, Römerbrief 1, 16
Das Wort "Evangelium" kommt ausgesprochen häufig in der Bibel vor. Was aber bedeutet dieses Wort eigentlich? „Evangelium“ ist griechisch und heißt übersetzt „Gute Nachricht“. Und diese Gute Nachricht hat natürlich auch einen Inhalt. Und den müssen wir klarkriegen: Man kann den Inhalt der Guten Nachricht (des Evangeliums) in nur vier Worten zusammenfassen. Und die lauten so: Jesus Christus rettet Menschen! Das ist der Inhalt der Guten Nachricht
Das Evangelium bringt Rettung.
Das Evangelium bringt Rettung! Das ist sein erster und entscheidender Inhalt. Und „Rettung“, das hat mit Leben zu tun und mit heil sein und Entrissen werden aus Todesgefahr. „Rettung“ ist etwas, das unsere ganze Person und unser ganzes Leben umfasst. „Rettung“ ist etwas Dramatisches und Großartiges.
Und das ist wichtig! Denn selbstverständlich ist das nicht! Wenn man heute Christen fragt, was ihnen ihr Glaube bedeutet, dann sagen viele (sinngemäß): „Seit ich Christ bin, fühle ich mich besser! Auch etliche Probleme, die ich vorher hatte, sind jetzt gelöst. Und darum lohnt es sich für mich, Christ zu sein!“
Das hört sich erstmal ganz gut an, aber es geht doch am Entscheidenden vorbei! Denn: Wenn Menschen in eine Selbsthilfegruppe gehen oder eine Psychotherapie machen, dann sagen sie ganz dasselbe: „Ich fühle mich viel besser. Etliche Probleme, die ich vorher hatte, sind jetzt gelöst. Und darum lohnt es für mich, eine Selbsthilfe-Gruppe zu besuchen oder eine Psychotherapie zu machen.“ Natürlich ist es nicht unwichtig, wie man sich fühlt. Aber das Entscheidende am Evangelium ist das nicht! Denn dort geht es um Rettung und um nichts sonst!
Und jetzt gehen wir sofort noch einen Schritt weiter und fragen: Was hat es mit dieser „Rettung“ auf sich? Was ist da genau gemeint? Und um was geht es dabei konkret? Nun es geht dabei darum, dass wir Menschen in einer äußerst jämmerlichen und hoffnungslosen Lage sind. Und keine Perspektive haben. Und uns nicht selbst helfen können.
Da berichteten die Zeitungen vor ein paar Jahren von einer 29-jährigen Frau in London. Seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr hatte die arme Frau ihr Schlafzimmer nicht mehr verlassen. Sie war kaum imstande zu gehen, hatte überlange Fingernägel und sehr schlechte Zähne. Nur ihre Fußnägel waren kurz. Alle Möbel waren aus dem Zimmer entfernt worden. Die junge Frau schlief auf dem blanken Fußboden in unbeschreiblichem Schmutz. Nur ein Fernseher verband sie mit der Außenwelt. Nachts ging sie gelegentlich aus dem Haus, war aber auch dazu zuletzt nicht mehr imstande. Sie starb allein und verlassen in ihrem leeren Zimmer.
Nun, jeder von uns würde doch sagen: „Die arme Frau! Was für ein jämmerliches Leben hat sie gelebt! Was hätte aus ihrem Leben werden können! Was für Möglichkeiten hätte sie gehabt! Stattdessen hat sie ihre Jahre vertan in Schmutz und Leere und Sinnlosigkeit. Und starb dann einen einsamen Tod. Wie furchtbar! Ein vertanes Leben!“ So würden wir sagen! Und hätten Mitleid und Erbarmen. Und das wäre ja auch sehr angemessen! Aber: Wer ahnt schon, dass unsere Lage vor Gott der Lage dieser armen Frau ähnelt? Wer ahnt das? Und wer sieht das? Nicht viele! Und doch ist es so!
Die Bibel sagt uns, daß auch wir Menschen Leute sind, die weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben: Trotz Auto, Urlaub, Karriere und Fernseher. Sie sagt uns, dass Gott ein anderes, größeres und gewaltigeres Leben für uns vorgesehen hat. Sie sagt uns, dass verglichen damit unser jetziges Leben äußerst arm und jämmerlich ist. Sie weist uns weiter daraufhin, dass auch wir unsere Jahre vertun in Schmutz und Leere und Sinnlosigkeit: Nur dass man unseren Schmutz nicht sehen kann, weil er von anderer Art ist: Er sitzt innen und heißt Sünde! Und die Bibel warnt uns, dass auch wir auf einen einsamen Tod zusteuern: Einen Tod, der uns die Tore zur Ewigkeit aufstößt: Zu einer Ewigkeit ohne Gott. Zu einer Ewigkeit in Gottesverlassenheit.
So sagt es die Bibel! Und darum brauchen wir Rettung. Wir brauchen Rettung von Sünde. Und zwar gleich in dreifacher Hinsicht: Als erstes brauchen wir Rettung von der Schuld der Sünde: Jede Sünde, die wir tun, produziert Schuld. Jede Lieblosigkeit, die wir begehen, jede Lüge, die wir lügen, jeder Tratsch, den wir tratschen, jede Empfindlichkeit und Selbstsucht, die wir uns gönnen: Sie alle produzieren Schuld! Schuld vor Gott! Das heißt: Wir bleiben damit zurück hinter den Maßstäben, die Gott uns gesetzt hat: Denn Gott ist ein Gott der Liebe, der Wahrheit und der Heiligkeit. Und er hasst die Lieblosigkeit, die Lüge, den Tratsch, die ichhafte Empfindlichkeit und die Selbstsucht. Wenn wir diese Dinge tun - und wir tun sie täglich - dann verschulden wir uns vor Gott. Wir bleiben zurück hinter dem Maß, das er uns gesetzt hat. Und Schuld trennt von Gott. Ohne „wenn“ und „aber“! Und darum brauchen wir Rettung von der Schuld der Sünde.
Und weiter: Wir brauchen auch Rettung von der Macht der Sünde. Sünde ist eine Macht! Und zwar eine heimtückische Macht: Sie nimmt uns die Freiheit. Sie macht uns zu Sklaven. Und das ist schlimm! Um das zu verstehen, muss man weit zurückblenden, in die Anfänge der Menschheit: Als die zwei ersten Menschen (Eva und Adam) aus den Händen Gottes ins Leben kamen, da waren sie frei: Unschuldig und ganz ohne böse Gedanken. Liebevoll und gut zu sein, war für sie nicht anstrengend und aufwendig. Es war für sie ganz natürlich. Dann kam die Versuchung des Teufels an sie heran. Und sie öffneten sich für das Böse, das sie bis dahin nicht gekannt hatten. Sie sündigten zum ersten Mal. Und da fiel die Freiheit von ihnen ab. Sie wurden Sklaven des Bösen. Sie wurden Sklaven der Sünde. Und seitdem liegt die Macht der Sünde über der Menschheit. Und die Menschen spüren es, dass sie unfrei sind:
Da gibt es ein Lied, das heißt „Freiheit“. Marius Müller-Westernhagen hat es geschrieben. Und dieses Lied ist aufgenommen worden auf einem der großen Konzerte dieses Künstlers. Und da singt er von der Freiheit (nur begleitet von einem Klavier) mit einer Leidenschaft, die einem fast wehtut. Und dann singen all die Leute mit – ein paar Tausend werden es gewesen sein - singen von der Freiheit mit einer tiefen großen Hingabe, die einen tief berührt. Aber: Sie alle singen wie Leute, die wissen, dass sie die Freiheit nicht haben: Voller Sehnsucht. Voller Wehmut. Voller Schmerz.
Nein, freie Leute sind wir Menschen nicht. Wir haben einen Hang zum Bösen. Einen Hang zum Kaputtmachen. Manchmal machen wir sogar das kaputt, was wir doch am meisten lieben. Wir stehen unter der Macht der Sünde.
Wir sind wie die Schwäne, die vor ein paar Jahren im Winter im Maschsee in Hannover festfroren: Eine aufmerksame Spaziergängerin hatte die Vögel entdeckt: In Höhe der Yachtschule war ein Schwan mit den Füßen im Eis festgefroren: Hilflos und dem Tode geweiht. Einem anderen Schwan war das Gefieder festgefroren und machte ihn flugunfähig: Eine leichte Beute für Hunde und Füchse. Erst als die Feuerwehrleute kamen und das Eis vorsichtig mit warmem Wasser auftauten, konnte den Schwänen geholfen werden. Alleine wäre der Tod ihr Schicksal geworden!
Und genauso ist es mit der Macht der Sünde auch: Sie bannt uns fest. Sie liefert uns der Kälte aus, die die Trennung von Gott mit sich bringt. Solange, bis wir darin erstarren! Und darum brauchen wir Rettung von der Macht der Sünde.
Und schließlich: Wir brauchen auch Rettung von der Kontaminierung der Sünde. Wir alle wissen, was Kontaminierung ist: Wenn irgendwo in einer Fabrik Giftstoffe nach außen dringen und dann verteilt werden in der Atmosphäre. Und dann herunterkommen mit dem Regen oder mit dem Wind: Dann wird der Boden kontaminiert. Und manchmal auch Menschen. Und dann ist ein irrer Aufwand nötig, um das wieder in Ordnung zu bringen.
Da ging ein Bild um die Welt vor einiger Zeit: Es zeigte einen Mann in einem gelben Schutzanzug und Helm und Sauerstoffmaske. Und dieser Mann hält ein paar Steine und Erde in seinen Händen. Er gehörte zu einer Gruppe von Spezialisten, die in Waldshut am Hochrhein das Gelände einer Chemiefirma reinigen sollten: 20. 000 Tonnen Erdreich mussten er und seine Kollegen wegschaffen1 20. 000 Tonnen Erde, kontaminiert mit hochgiftigem Quecksilber.
Es gibt nicht nur eine Kontaminierung durch die Chemie. Es gibt auch eine Kontaminierung durch die Sünde: Die Sünde dringt ein in die innersten Bereiche unserer Person und hinterlässt dort Unreinheit. Unsere Gedanken, Gefühle und Motive bekommen etwas Unreines. Nicht immer empfinden wir das. Nicht immer zeigen wir das. Aber sie ist da, die Unreinheit. Und wir kriegen sie alleine nicht in den Griff. Und darum brauchen wir auch Rettung von der Kontaminierung der Sünde.
Und Gott will diese Rettung geben! Er will die Schuld der Sünde tilgen. Er will die Macht der Sünde brechen. Und er will die Kontaminierung der Sünde beseitigen. Er will Rettung bringen für verschuldete, versklavte, kontaminierte Menschen, die auf eine Ewigkeit ohne Gott zu stolpern. Er will Rettung bringen für eine Menschheit, deren Leben jämmerlich ist, weil sie ohne Beziehung zu Gott lebt. Er will Rettung bringen für eine Menschheit, die ihr Leben vertut in Schmutz und Leere und Sinnlosigkeit: Und sich selbst nicht helfen kann.
Das Evangelium präsentiert eine Lösung für die Probleme der Menschheit. Es präsentiert einen großartigen und vor allem gangbaren Weg heraus aus der Schuld und der Macht und der Kontaminierung der Sünde. Und hinein in ein neues und großes Leben in der Liebe und der Gemeinschaft mit Gott.
Das Evangelium ist eine Kraft Gottes.
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes zur Rettung für alle, die daran glauben: Die Juden zuerst und ebenso die Griechen. (Die Bibel, Römerbrief 1, 16)
Das Evangelium ist eine Kraft Gottes! Halten Sie das bitte genau fest: Die Bibel sagt nicht, dass das Evangelium von der Kraft Gottes berichtet, oder die Kraft Gottes bezeugt, oder auf die Kraft Gottes hinweist. Sondern sie sagt: Das Evangelium ist eine Kraft Gottes. Die Gute Nachricht selbst ist eine Kraft Gottes. Also: Das Evangelium selbst ist Träger der Kraft Gottes. Wo immer die Gute Nachricht von Jesus von Menschen gesagt, bezeugt, erklärt und ausgelegt wird, da ist auch die Kraft Gottes da und kann auf das Leben von Menschen einwirken. Das ist eine sehr erstaunliche Sache: Gott selbst hat seine Kraft (und die ist ja nun wahrlich nicht gering) an das Evangelium gebunden. Wo immer das Evangelium von Menschen gesagt, bezeugt, erklärt und ausgelegt wird, da wird auch die rettende Kraft Gottes wirksam.
Nun, das ist natürlich zunächst mal nicht so leicht zu verstehen: Wie ist das möglich, dass die ganze große Kraft Gottes in einer Nachricht – von Menschen gesprochen – wirksam sein kann? Vielleicht hilft Ihnen die folgende Überlegung weiter:
Mal angenommen, Sie hätten irgendeine Krankheit: Vielleicht etwas mit den Knochen oder mit dem Herzen oder irgendetwas anderes Ernstes. Was würden Sie tun? Nun, Sie würden aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem Arzt gehen und ihm Ihr Leiden schildern. Und dann, wenn alles gut geht, wird der Arzt eine Diagnose stellen. Und er wird zum Rezeptblock greifen und Ihnen ein Medikament aufschreiben. Und mit diesem Rezept können Sie dann in eine Apotheke gehen. Und dann bekommen Sie das Medikament ausgehändigt und werden gesund. Und jetzt überlegen wir mal: Das Rezept, das Sie von Ihrem Arzt bekommen haben und in der Hand halten, ist eigentlich nur ein Stück Papier mit ein paar Buchstaben darauf. Aber hinter dem Rezept stecken (unsichtbar) Jahre – vielleicht Jahrzehnte – intensiver Forschung- und Entwicklungsarbeiten in der Pharma-Industrie. Viele, viele Leute haben Jahre und Jahre in den Laboren gearbeitet und experimentiert, bis sie das Medikament entwickelt hatten, das Ihnen jetzt hilft. Das heißt: Hinter dem unschuldigen Stück Papier, das Ihnen Ihr Arzt in die Hände gedrückt hat, steckt ein irrer Aufwand von Arbeit und Mühe. Die Kraft und Mühe und Zeit vieler, vieler Menschen steckt in dem einen kleinen Rezeptpapierchen, das Sie dem Apotheker auf den Tresen legen.
Und ganz ähnlich ist es nun mit dem Evangelium, mit der Guten Nachricht Gottes auch! Sie entspricht dem Rezept Ihres Arztes: Jahrhunderte und Jahrtausende gewaltiger Arbeit stecken dahinter. Aber: Nicht Arbeit von Menschen. Sondern Arbeit von Gott!
Jahrhunderte- und Jahrtausende lang war Gott an der Arbeit: Er berief Abraham. Machte ihn zum Vater des Glaubens. Gab ihm eine große Verheißung. Machte aus seinen Nachkommen ein Volk: das Volk Israel. Gab diesem Volk seine Maßstäbe: Die Gebote Gottes. Führte und erhielt dieses Volk über lange, lange Zeit und durch schwierigste Wegstrecken hindurch. Berief die Propheten: Einen nach dem anderen. Gab ihnen sein Wort. Kündigte den Retter der Welt an, den Messias: Jesus, seinen Sohn. Machte seine Ankündigung wahr: Ließ Jesus zur Welt kommen: Ein Israelit aus dem Volk Israel. Geboren in der Stadt Bethlehem. Gab ihm die Macht, Krankheit zu heilen und Tote lebendig zu machen. Sündlos zu leben und Sünden zu vergeben. Verdunkelte den Schein der Sonne, als Jesus, sein Sohn, am Kreuz hing und dort seinen Opfertod starb für die Schuld der Welt. Erweckte ihn auf von den Toten zu einem neuen Leben: Am dritten Tag, nach der Kreuzigung. Nahm ihn auf in seine unsichtbare Welt, aus der er gekommen war. Ließ ihn ausrufen in aller Welt, als den Retter der Menschen.
Gott war an der Arbeit. Jahrhunderte- und Jahrtausende lang war er an der Arbeit. Wirkte und arbeitete er auf den einen Tag zu, an dem Jesus, sein Sohn, am Kreuz vor den Toren Jerusalems seinen Opfertod sterben würde: Um die Schuld der Menschen zu tilgen. Und um die Macht der Sünde zu brechen. Jahrhunderte- und Jahrtausende lang hat Gott darauf zu gearbeitet. Jahrhunderte- und Jahrtausende lang hat er an unserer Rettung gearbeitet. Und als Jesus am Kreuz sein Leben gab, da hat er sein Vorhaben vollendet. Und jetzt, jetzt steckt all das, was Gott für uns getan hat, in der Guten Nachricht von Jesus drin. Sie ist wie ein Rezept zum ewigen Leben. Die ganze große, gewaltige Arbeit Gottes, die ganze große rettende Kraft Gottes steckt in dem einen Evangelium von Jesus drin. In diesem einen Evangelium – von Menschen gesagt und bezeugt - bündelt sich alles, was Gott für uns getan hat. Und wenn Sie es annehmen – das Evangelium von Jesus - wird sich die ganze geballte rettende Kraft Gottes in Ihrem Leben entladen und auswirken.
Und genau das brauchen wir! Wir brauchen es dringend, dass die rettende Kraft Gottes in unser Leben hineinkommt und es neu macht. Wir brauchen das mehr als alles andere! Wir haben es bitter nötig! Viel zu lange haben wir auf die Kraft der Menschen gesetzt. Viel zu lange haben wir geglaubt, wir würden es schon packen. Viel zu lange haben wir gemeint, wir würden die Welt schon in Ordnung kriegen mit zäher Arbeit und Begeisterung und Idealismus und schönen Programmen. Viel zu lange haben wir gebaut auf unsere Kraft und unsere Schlauheit und unser Können. Und was hat es uns gebracht? Elend hat es uns gebracht und Zerstörung. Härte und Grausamkeit. Unterdrückung und Tränen. Misstrauen und Einsamkeit. Armut und Verschwendung. Egoismus und Gier. Lieblosigkeit und Kälte. Und Ströme von Blut, das vor allem! Und dennoch werden wir nicht klug. Und meinen, morgen müsse es dennoch klappen mit unserer Kraft und unseren Plänen. Aber: Menschenkraft bringt Menschenelend. Immer! Nur Gottes Kraft bringt Rettung!
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes zur Rettung für alle, die daran glauben: Die Juden zuerst und ebenso die Griechen. (Die Bibel, Römerbrief 1, 16)
Und das ist nun noch einmal ganz wichtig: Die Juden und die Griechen, das war damals, als der Brief an die Römer geschrieben wurde, so eine Art feste Redewendung, die soviel besagte wie: „Die Juden und der Rest der Welt“! Und damit ist klar: Alle sind gemeint! Alle Menschen. Die ganze Menschheit! Die Juden werden dabei zuerst genannt. Das hat auch einen Grund: Sie waren und sind Gottes besonders erwähltes Volk. Darum stehen sie an erster Stelle. Aber danach kommen gleich all die anderen Völker der Erde. Und die werden hier einfach unter der Bezeichnung „Griechen“ zusammengefaßt. Das hängt damit zusammen, dass die Griechen damals in vielen Dingen einfach die führenden Leute waren weltweit. Und darum sagte man damals, wenn man die Völker der Erde meinte, einfach schlicht die „Griechen“. Das klingt etwas ungewohnt in unseren Ohren heute, war damals aber ganz gängig und normal.
Also: Das Evangelium ist für alle da! Jeder kann es annehmen. Jeder kann die rettende Kraft Gottes erfahren. Niemand ist ausgeschlossen. Oder, etwas anders gesagt: Die rettende Kraft Gottes wird mit jedem fertig. Sie ist so groß, sie ist so stark und so unwiderstehlich, dass sie jeden Menschen retten kann: Egal wer er ist. Egal wo er steht. Egal, was er hinter sich hat. Wenn er nur den Schritt des Glaubens tut und die „Gute Nachricht“ von Jesus für sich persönlich annimmt.
Noch einmal: Gottes rettende Kraft wird mit jedem fertig. Mit jedem ohne Ausnahme. Mit jedem, der Jesus als seinen Retter annimmt. Mit jedem, der bereit ist, sich retten zu lassen. Es wird keiner ausgeschlossen!
Es ist erstaunlich, wie viele Menschen es gibt, die sich nicht zu Gott hin trauen! Sie haben den Eindruck, sie könnten sich, so wie sie sind, Gott nicht zumuten. Sie haben das Gefühl, ihr Leben sei zu kaputt, zu sehr beladen mit Schuld, zu dunkel und zu belastet, um damit zu Jesus kommen zu können. Sie meinen, sie müssten erst in eigener Regie und in eigener Arbeit ihr Leben in Ordnung bringen, um für Jesus akzeptabel zu sein. Und natürlich kommen sie nie an diesen Punkt! Sie kommen nie an den Punkt, wo sie der Meinung sind, nun sei ihr Leben vorzeigbar genug, um sich Gott zu nähern! Im Gegenteil: Je älter sie werden, umso weniger trauen sie sich. Denn es sammelt sich ja immer mehr Schuld an im Laufe der Zeit.
Und dann gibt es andere, die haben viele Fehler gemacht in ihrem Leben. Und dadurch ist alles sehr kompliziert geworden. Ihr Leben ist ein Dschungel von Fehlentscheidungen, Fehleinschätzungen und Fehltritten. Und sie haben den Eindruck: Mein Leben ist so schwierig und so kompliziert, dass selbst Gott nicht mehr klarkommen wird damit. Nur ich selbst blicke noch durch. Für Jesus ist das alles zu schwierig und undurchschaubar. Und darum muß ich selbst erstmal Ordnung schaffen: Vorher kann ich mich unmöglich Jesus zumuten. Ich würde Ihn nur in Verlegenheit bringen. Und natürlich kommen auch sie nie an den Punkt, wo sie ihr Leben in Ordnung haben. Im Gegenteil: Je älter sie werden, umso verworrener wird alles. Denn es kommen ja immer mehr Fehlentscheidungen dazu im Laufe der Zeit.
Und so vergeht ihr Leben. Jahr um Jahr. Und nie trauen sie sich hin zu Gott. Und so gehen sie verloren, wenn die Zeit ihres Lebens abgelaufen ist. Und das ist dann wirklich tragisch!
Und darum, wenn Sie jemand sind, der sich nicht hin traut zu Jesus, bitte lassen Sie sich sagen: Gottes rettende Kraft wird auch mit Ihnen fertigwerden! Alle Ihre Sorgen und Vorbehalte sind völlig unbegründet! Sie sind kein besonders schwieriges Problem für Gott. Er liebt Sie trotz Ihrer Schuld. Sie können kommen, wie Sie sind. Nichts muss erst geglättet werden. Nichts muss vorzeigbar gemacht werden. Er wird Ihr Leben in Ordnung bringen. Er wird alles tun. Er wird handeln! Nicht Sie! Seine rettende Kraft ist groß. Allemal groß genug auch für Sie!
Wo jemand das Evangelium Gottes persönlich im Glauben annimmt, wird Gottes große rettende Kraft in seinem Leben wirksam. Und die macht alles neu. Egal, wie sein Leben aussehen mag. Die rettende Kraft Gottes setzt sich immer durch!
Eine der Kernaussagen des christlichen Glaubens ist die, dass Jesus von den Toten auferstanden und sein Grab auf eigenen Füßen verlassen habe. Dazu muss man wissen: Die Gräber sahen damals etwas anders aus als heute. Heute machen wir ein Loch in die Erde, in das der Tote gelegt wird. Damals im Land Israel war das nicht üblich. Man schlug eine Höhle in den Felsen und verschloss sie mit einem Rollstein.. Wissen Sie übrigens, wie schwer so ein Rollstein ist? Man hat das überprüft: Er wiegt mindestens zwei Tonnen, kann also von einem Menschen allein niemals bewegt werden.
In so ein Felsengrab ist Jesus damals nach seiner Kreuzigung also gelegt worden. Der Rollstein wurde vor die Öffnung gewälzt. Dazu wurde das Grab mit Stricken gesichert und mit einem Polizeisiegel versehen. Dazu stellte man 16 Mann einer römischen Sicherheitsfirma vor die Grabstelle, die dafür sorgen sollten, dass niemand sich dem Grab näherte. Trotzdem war das Grab am dritten Tag nach der Kreuzigung Jesu leer. Einfach leer. Das hat übrigens auch nie jemand bestritten. Auch die Gegner von Jesus nicht, von denen es ziemlich viele gab. Das Felsengrab, in das man Jesus gelegt hatte, war leer und der Rollstein weggerollt.
Das Grab war leer.
Was war da nur passiert? Bis heute denken Menschen darüber nach. Die erste Erklärung, die publik wurde, kam von den ersten Christen. Sie sagten: „Jesus ist von den Toten auferstanden. Er hatte das doch auch angekündigt. Darum ist das Grab leer. Wir haben ihn sogar gesehen. Denn er ist bei uns aufgetaucht und hat mit uns gesprochen, gegessen und getrunken.“
Naja, da haben ziemlich viele damals herzlich gelacht. Sie fanden das extrem unglaubwürdig. Sie präsentierten eine andere Erklärung (die kann man übrigens in der Bibel nachlesen - Die Bibel, Matthäusevangelium 28, 11 - 15). Sie sagten: Die Freunde von Jesus sind in der Nacht gekommen und haben den Leichnam Jesu gestohlen. Das war ihre Erklärung für das leere Grab.
Ein Leichen-Diebstahl?
Also: Ein Leichendiebstahl als Erklärung für ein leeres Grab! Das klingt erst mal irgendwie einleuchtend oder doch jedenfalls denkbar. Aber da gibt´s ein paar Haken!
Überlegen wir mal: Wenn die Jünger tatsächlich den Leichnam Jesu
gestohlen hätten, dann wäre es ein Leichtes gewesen, das nachzuweisen. Die Gegner von Jesus damals saßen in höchsten Positionen: Die hatten genug Einfluss und genug Leute, um den Leichnam Jesu
suchen zu lassen und allen zu zeigen. Aber: Sie versuchten es nicht einmal. Es gab keine Suche nach dem - angeblich - gestohlenen Toten.
Und weiter: Die Jünger Jesu hatten auch gar keinen Grund, so einen Diebstahl durchzuführen. Sie waren nämlich nach der Kreuzigung Jesu total fertig mit sich und der Welt. Die hatten sich ängstlich und deprimiert irgendwohin zurückgezogen. Und bitte: Wer von uns käme im Ernst auf die Idee, einen Toten wieder auszugraben, den er eben erst bestattet hat? Doch wohl keiner, oder?
Es ist auch weiter sehr unwahrscheinlich, dass alle (!) 16 Sicherheitsleute geschlafen haben sollen und noch nicht mal geweckt wurden, als der 2 Tonnen schwere Rollstein vor dem Felsengrab Jesu weggewälzt wurde. Und – wenn sie tatsächlich alle geschlafen haben sollten: Wie konnten sie dann wissen, wer den Leichnam gestohlen hatte? Und warum verfolgten sie die Diebe dann nicht, sondern gingen zu den Priestern in Jerusalem, um ihr Versagen zu gestehen? Nein, die rasch formulierte Erklärung war schlecht ausgedacht. Sie warf mehr Fragen auf, als sie beantwortete.
Die Scheintot-Erklärung.
Aber es gibt weitere Erklärungsversuche, die sich mit der Auferstehung Jesu befassen. Eine von ihnen hat im 19. Jahrhundert ein Mann namens Venturini präsentiert: Die sogenannte „Scheintot-Erklärung“. Sie meint, dass Jesus gar nicht wirklich starb am Kreuz, sondern nur in ein tiefes Koma fiel, also nur scheintot war. In der kühlen Umgebung des Felsengrabes, wachte er auf, schaffte es irgendwie, sich aus den um ihn geschlungenen Leinentüchern zu befreien, den schweren Rollstein wegzuschieben und zu entkommen. Als er sich wenig später bei seinen Jüngern auftauchte, nahmen die irrtümlich an, er sei von den Toten auferstanden.
Diese Erklärung ist ziemlich verbreitet, schafft aber auch mehr Probleme, als sie löst: Die römischen Soldaten, die Jesus kreuzigten – um nur ein Beispiel zu nennen – zählten sicher nicht zu den Anhängern Jesu. Sie waren aber die ersten, die den Tod Jesu am Kreuz bezeugten. Und sie – bitte - waren echte „Experten“, was Kreuzigungen anging. Warum? Ganz einfach: Römische Soldaten mussten sofort mit ihrer eigenen Hinrichtung rechnen, wenn sie einen Gekreuzigten doch noch lebend entkommen ließen. Das römische Hinrichtungskommando unter dem Kreuz Jesu hatte also allen Anlass, seinen „Job“ sorgfältig zu machen. Und – als die Freunde Jesu später seinen Leichnam vom Kreuz abnahmen, hätten sie es jedenfalls bemerkt, wenn noch ein Funken Leben in dem Gekreuzigten gewesen wäre. Sie aber bemerkten nichts dergleichen, sondern bestatteten Jesus in einer Felsengruft.
Wenn Venturinis Theorie stimmen sollte, hätte Jesus nicht nur den
massiven Blutverlust durch die Geißelung, die Nägelwunden durch die Kreuzigung und den Speerstich in seine Seite überleben müssen. Er hätte auch mehr als 40 Stunden in den eng um ihn gewickelten
Leinentüchern verharren müssen, und das - ohne Nahrung oder Flüssigkeit zu sich zu nehmen. In diesem extrem geschwächten Zustand hätte er sich dann aus den vernähten und verklebten Leinentüchern
befreien, den schweren Rollstein wegbewegen, die 16 Sicherheitsleute täuschen, sich unbemerkt entfernen und dann auch noch die Jünger überzeugen müssen, er sei von den Toten auferstanden. Er
hätte dann die Kraft entwickeln müssen, als Schwerstverletzter endlose Kilometer nach Galiläa zurückzulegen, um dort seinen Jüngern noch einmal über einen Zeitraum von 40 Tagen zu erscheinen. Und
er wäre am Ende gezwungen gewesen, vor den Augen der Jünger eine gefälschte Himmelfahrt zu inszenieren. Glaubhaft?
Die Halluzinations-Erklärung.
Schließlich: Die „Halluzinations-Erklärung“. Sie behauptet, dass alle, die damals meinten, den auferstandenen Jesus zu sehen, in Wirklichkeit Opfer einer Halluzination wurden. Grund für die Halluzinationen sei die brennende Erwartung gewesen, dass Jesus von den Toten auferstehen würde.
Aber: Da war zum Beispiel der Jünger Thomas, der sich zunächst schlicht weigerte, auch nur im Entferntesten an eine Auferstehung Jesu zu glauben. Und er – war nicht der einzige! Die Berichte der Evangelien machen unübersehbar klar, dass die Apostel weder vor noch nach der Kreuzigung Jesu glaubten, er werde von den Toten auferstehen. Sie waren einfach dumpf und hoffnungslos in ihrer Trauer. Und dann: Der Apostel Paulus erwähnt im 1. Korintherbrief mehr als 500 Personen, die gleichzeitig Jesus gesehen hätten und auch dazu noch befragt werden könnten (1. Kor. 15, 6). Wäre die Halluzinations-Theorie zutreffend, müssten sie alle gleichzeitig dieselbe Halluzination gehabt haben. Das ist - sehr unwahrscheinlich!
Was alle "Erklärungen" nicht erklären können ...
Gemeinsam ist all diesen Erklärungen, sie alle miteinander eines nicht erklären können, nämlich: Wie es möglich war, dass aus verängstigten, verschüchterten und verkrochenen Jüngern plötzlich todesmutige Glaubenshelden wurden. Und, wie es möglich war, dass im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende Millionen von Christen in gleicher Weise bereit waren, ihr Leben für Jesus aufs Spiel zu setzen.
Am Ende steht man damit vor der verblüffenden Erkenntnis, dass die Berichte des Neuen Testaments über die leibliche Auferweckung Jesu die einzige hinreichende Erklärung für die Ereignisse am dritten Tag nach der Kreuzigung Jesu liefern. Alle anderen Erklärungsversuche greifen zu kurz.
Der amerikanische Rechtsprofessor Simon Greenleaf hat einmal geschrieben: „Die Berichte von der Auferweckung Jesu verlangen nicht mehr, als dass wir ihre Aussagen überprüfen, wie wir auch andere Aussagen von Zeugen überprüfen. Sie verlangen nicht mehr, als dass wir mit ihren Zeugenaussagen genauso umgehen, wie wir es vor Gericht mit anderen Zeugenaussagen auch tun.“
Einer, der diesem Rat folgte, war der US-amerikanische Rechtsanwalt Morris. Er untersuchte die Akte "Jesus von Nazareth" sehr genau. Als er damit anfing, hatte er eine hohe Achtung vor Jesus als Mensch.
Aber die Berichte über seine Auferweckung hielt er für Fabeln und Legenden. Dann jedoch begann er sich mit der Akte "Jesus von Nazareth" näher zu
befassen. Er untersuchte sie mit juristischen Methoden, so wie er das als Rechtsanwalt gelernt hatte. Und er stellte fest: Sie hielten der Überprüfung stand. Und dann geschah etwas: Nicht nur,
dass er seine Meinung über die Berichte von der Auferweckung Jesu änderte. Das geschah auch. Aber das Entscheidende war noch etwas anderes: Er begriff, dass Jesus heute lebt. Und das veränderte
sein Leben total!