Samuel F. B. Morse. Oder: Zerplatzte Träume

Quelle: pixabay
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Sein Name sagt  den Allermeisten zunächst überhaupt nichts: Samuel F.B. Morse. Hängt man jedoch an seinen Namen etwas von dem an, was er erfunden hat, wissen sofort alle Bescheid, naja, fast alle: Das Morse-Alphabet. Richtig: Samuel F. B. Morse war der Erfinder der elektrischen Telegrafie und des nach ihm benannten Morse-Alphabets. Und: Er hatte mit zerplatzten Träumen zu tun. Sehr sogar!

Samuel F. B. Morse wird am 27. April 1791 in Charlestown Massachusetts / USA geboren. Sein Vater ist ein bekannter Prediger und Pastor der kongregationalistischen Kirche. Sam (und seine zwei Brüder) besuchen ein Internat und die Universität in der Stadt Yale.

Sehr früh entdeckt Sam eine große künstlerische Begabung in sich: Er kann malen, und entwickelt diese Gabe systematisch weiter. Immer wieder finden ihn erst seine Eltern und Geschwister, später seine Bekannten und Freunde mit Malblock, Farben und Staffelei irgendwo im Gelände.

Morse´ großer Wunschtraum ist es, Kunstmaler werden und die Geschichte der Vereinigten Staaten in Bildern darzustellen. Der Vater lehnt diese Pläne seines Sohnes als völlig unsolide ab und fördert sie nicht. Aber Morse verfolgt seinen Traum beharrlich weiter.  Er ist fest davon überzeugt, dass es seine Aufgabe und sein Auftrag von Gott ist, Kunstmaler zu werden.

Wie viele Menschen heute trägt auch er einen (nämlich diesen) Wunschtraum für sein Leben in sich: Ein bekannter Kunstmaler zu werden.

Eines Tages sieht Gilbert Stuart (ein bekannter zeitgenössischer Maler) Morse Arbeiten an der Yale-Universität und bittet seinen Vater, Samuel in London Malerei studieren zu lassen.  Nach langem Hin und Her und endlosen Diskussionen gibt der Vater endlich nach. Die Erfüllung von Morse Wunschtraum rückt näher.  Im Jahr 1811 geht Morse nach London.

In dieser Zeit ist die Übermittlung von Nachrichten noch sehr langsam. Morse erlebt, wie die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen England, den USA und Frankreich eskalieren, einfach weil nicht rasch genug bekannt wird, dass man sich geeinigt und Frieden geschlossen hat und der Krieg vorbei ist. Trotz unterzeichnetem Friedensvertrag gehen die Kämpfe noch längere Zeit weiter.  Tragisch! Morse begreift, dass viele internationale Probleme durch schnellere und bessere Kommunikation viel schneller gelöst werden könnten.

Nach erfolgreichem Studium an der Kunstakademie in London ist Morse mehr denn je davon überzeugt, dass die Malerei seine Lebensaufgabe ist. Er kehrt nach Hause zurück und versucht, seinen Lebensunterhalt mit der Malerei zu verdienen. Er malt Portraits, u. a. von Präsident James Monroe und dem französischen General Lafayette.  Sein Einkommen ist aber aufs Ganze gesehen gering. Es zeigt sich, dass es in den USA sehr schwierig ist, von der Kunst zu leben. Oft muss Morse seine Frau Lucretia und seine Kinder allein lassen, um durchs Land zu reisen und Bilder (meistens Portraits) zu malen. Trotz schwieriger finanzieller Verhältnisse unterstützt Morse auch noch Missionare, die Ausbildung von Pastoren und die Einrichtung von Sonntagsschulen.

Im Jahr 1825 (er ist gerade wieder unterwegs) erfährt er, dass seine Frau in New Haven gestorben ist. Die Nachricht erreicht ihn mit einer Woche Verspätung, weil er sich 500 Kilometer weit weg in Washington D. C. aufhält. Morse kann nicht einmal zur Beerdigung seiner Frau gehen. Er begreift schmerzlich, dass auch viele persönliche Probleme durch schnellere und bessere Kommunikation gelöst werden könnten.

Nach dem Tod seiner Frau geht  Morse zurück nach Europa. Sein Wunschtraum, ein großer Kunstmaler zu werden, erfüllt sich aber auch jetzt und auch dort nicht.

Auf der Rückreise von Europa nach Amerika hört er zum ersten Mal von der Möglichkeit, Nachrichten blitzschnell durch Strom übermitteln zu können.

1834 kommt dann die langersehnte Möglichkeit, seinen Wunschtraum Wirklichkeit werden zu lassen: Im Capitol in Washington D. C. sollen in der sogenannten „Rotunde“ (einem großen, kreisrunden Raum) Szenen aus der amerikanischen Geschichte dargestellt werden. Niemand zweifelt daran, dass Morse den Auftrag bekommen wird. Es wäre sein endgültiger Durchbruch. Aber: Intrigen bewirken, dass ein anderer (weniger bekannter Maler) den Zuschlag erhält.

Samuel Morse ist furchtbar enttäuscht. Es ist das Ende seiner Laufbahn als Maler. Er fragt „Warum?“, findet aber keine Antwort. Sein Wunschtraum zerplatzt. Wie mag es ihm damals gegangen sein? Welche Lebensbilanz hat er wohl gezogen?

Und: Wie vielen Menschen mag es heute ähnlich gehen? Wie viele Menschen gibt es heute in unserm Land und in unserer Stadt, die auch mit zerplatzten Träumen herumlaufen? Ich vermute, es sind viele! Vielleicht haben sie einen Menschen verloren, mit dem sie doch alt werden wollten. Vielleicht haben sie geackert und gerackert, um ihren Traumberuf zu erreichen, aber es wurde nichts daraus! Vielleicht haben sie Begabungen und Fähigkeiten, die nie richtig zum Zuge kamen! Vielleicht haben sie von Glück und Lebenserfüllung in Ehe und Familie geträumt, aber nun sind sie allein! Vielleicht haben sie in einem Augenblick maßloser Wut Dinge getan, die ihr Leben auf Abwege führten und die sie bald schon bitter bereuten!

Wie viele Menschen gibt es, die wissen, dass sich ihre Träume nicht mehr erfüllen werden. Sie sehen, wie die Zeit ihres Lebens dahin rinnt. Und sie trauern um soviel zerstörte Träume. Ich wette Samuel Morse wird es ähnlich ergangen sein.

Ein Wort aus der Bibel – so berichtet er selbst - wird ihm in dieser Situation zur entscheidenden Hilfe. Es steht im Römerbrief (Die Bibel, Römerbrief 8, 28):  Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, heißt es dort.

In dieser Situation gibt Morse die Malerei auf. Er beginnt mit ganzer Kraft etwas ganz anderes zu tun. Innerhalb sehr kurzer Zeit entwickelt er den elektrischen Telegrafen (Fernschreiber), der bereits 1837 patentreif ist.

Samuel Morse beginnt zu ahnen, dass seine ihm von Gott übertragene Lebensaufgabe nicht die Malerei ist (obwohl er das so lange Zeit dachte). Er begreift, dass die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Menschen seine ihm von Gott zugedachte Aufgabe ist, also etwas völlig anderes, als die Malerei.  Er versucht vor allem im US-Kongress aber auch bei einflussreichen Persönlichkeiten in Europa für seine Erfindung zu werben. Nirgendwo glaubt man ihm. Niemand ist bereit, seine Erfindung im großen Stil zu finanzieren. Noch nicht!

Zu dieser Zeit ist Morse ziemlich verarmt und enttäuscht. Trotzdem – und das ist nun wirklich erstaunlich – schreibt er damals, unmittelbar nach einer Ablehnung im Kongress  die folgenden Worte in einem Brief an einen Freund:

„Der einzige Hoffnungsschimmer, den ich habe ist mein Zutrauen zu Gott. Wenn ich nach oben blicke, werde ich, was die Zukunft angeht, ganz ruhig. Es ist, als ob Gott zu mir sagt: Wenn ich die Lilien auf dem Feld kleide, sollte ich dann nicht in der Lage sein, dich zu kleiden? Hierin wurzelt mein Vertrauen und geduldig warte ich, wie Gott mich führen wird.“

Einen Tag später bewilligt ihm der Kongress  überraschend  30. 000 Dollar zur Erprobung seiner Erfindung. Morse kann seine Erfindung nun im großen Stil produzieren. Es entsteht eine Drahtverbindung zwischen Baltimore und Washington D. C. Der erste Satz, den Morse mit seinem neu entwickelten Fernschreiber übermittelt stammt aus dem 4. Buch Mose 24, 24 und spiegelt sein Vertrauen wider: „Gott tut große Wunder!“

Sehr bald entdecken Regierungen, Eisenbahngesellschaften, Zeitungen, Geschäftsleute und Missionsgesellschaften die Vorteile der neuen Technik. Sehr bald wird nun auch ein transatlantisches Kabel verlegt, und bald gehen Nachrichten mittels Morse´  Fernschreiber um die halbe Welt. Nach Jahren des Kampfes und der Armut stellen sich nun doch Erfolg und auch Wohlstand bei ihm ein.

Es musste erst ein Wunschtraum in Morse´ Leben zerplatzen, bevor er bereit wurde, die Lebensaufgabe in Angriff zu nehmen, die Gott ihm wirklich zugedacht hatte.

Wenn Wunschträume zerplatzen ist das immer schmerzhaft. Aber sie müssen kein Grund sein zu verzweifeln. Zerplatzte Wunschträume machen nicht selten den Blick frei für die Aufgabe, die Gott für uns und unser Leben vorgesehen hat. Und das ist dann am Ende etwas Gutes und Frohmachendes. Auch Morse ging es so. Gegen Ende seines Lebens schrieb er:

"Je näher ich an das Ende meiner Lebensreise komme, umso klarer steht mir vor Augen, dass die Bibel wirklich göttlichen Ursprungs ist. Immer größer und erhabener steht mir Gottes Liebe für eine verlorene Menschheit vor Augen,  und die Zukunft ist erhellt von Hoffnung und Freude.“

Wer Ja sagen lernt zu Gottes Plänen und Führungen in seinem Leben ... Wer bereit ist, eigene Wunschträume aufzugeben, und nicht in der Trauer um sie zu versteinern, erlebt, was auch Morse erlebte: Nämlich, dass Gott ihn führt und segnet und gebraucht, auch wenn das Leben ganz anders läuft, als man es selbst geplant hatte.

Martin Luther hat einmal gesagt: „Die Wege Gottes sind wie ein hebräisches Buch, das man nur von hinten lesen kann.“ Im Hebräischen schreibt man nämlich nicht von links nach rechts, sondern umgekehrt von rechts nach links. Die Lektüre beginnt man also – aus unserer Sicht betrachtet – auf der letzten Seite.

Und darum: Wenn Sie zur Zeit mit einem geplatzten Traum leben müssen, bitte, bestürmen Sie Gott nicht, er möge Ihnen bitte alles sofort erklären. Er wird das – aller Wahrscheinlichkeit nach – nicht tun! Er will, dass Sie ihm vertrauen, ohne alles erklärt und begründet zu bekommen. Aber eines Tages werden Sie zurückschauen, und dann wird Ihnen vor Augen stehen, wie genial Gott Sie in Ihrem Leben geführt hat ... Wie Samuel F. B. Morse.