Ladenhüter Sündenvergebung

Quelle:  pixabay
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„Wo parkt mein Auto?“ So fragte eine 71-jährige Frau  im Sommer 2005. Ausgerechnet nach dem Besuch eines Gottesdienstes in hatte sie einfach vergessen, wo sie ihr Gefährt geparkt hatte. Ganz dunkel konnte sie sich noch daran erinnern, dass es die Goethestraße gewesen war, in der sie den Wagen abgestellt hatte. Aber: In der Goethestraße fand sich keine Spur von ihrem Auto. Nach langer und ergebnisloser Suche meldete sie ihr Fahrzeug schließlich bei der Polizei als gestohlen. Jedoch, es blieb verschwunden.

 

Ein halbes Jahr später fiel einer Anwohnerin ein seit längerem geparktes Auto auf – allerdings nicht in der Goethe-, sondern in der Schillerstraße. Polizisten untersuchten das Fahrzeug. Statt Aufbruchspuren entdeckten sie aber nur Werbeprospekte vom Sommer 2005 hinterm Scheibenwischer. Es war der vergessene Wagen.

Vergesslichkeit kann ein Problem sein. Zuweilen kann sie auch richtig lästig werden, wie diese Begebenheit zeigt. Besonders schwierig aber wird es, wenn sich die Vergesslichkeit Gott gegenüber einnistet. Warum das so ist und – was es mit dieser Vergesslichkeit im Einzelnen auf sich hat, darum wird es  in den kommenden Minuten gehen.

„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Dieses Wort gegen das Vergessen findet sich etwa in der Mitte der Bibel in Psalm 103.  Lobe den Herrn, meine Seele - so die unmissverständliche Aufforderung - und vergiss nicht, - vergiss bloß nicht!! -  was er dir Gutes getan hat.  Eine eindringliche Warnung.

Und natürlich stellt sich die Frage: Warum in aller Welt präsentiert die Bibel diese Warnung vor dem Vergessen? Nun, am sichersten gehen wir mit der Annahme, dass diese Warnung nötig ist. Weil wir Menschen offensichtlich die Tendenz haben, einfach zu vergessen, was Gott uns Gutes getan hat.

Na, und da graben wir jetzt gleich noch eine Schippe tiefer und fragen: Was ist denn das „Gute“, das Gott uns getan hat oder zumindest tun will und das wir nicht vergessen sollen? Was ist es?

Was würden Sie annehmen? Besteht, das „Gute“, das Gott uns tut, in langem Leben? In guter Gesundheit? In beruflichem Erfolg, in Glück in der Liebe ... oder worin? Auf was würden Sie tippen?

Nun, die Antwort fällt – wie so oft in der Bibel – überraschend aus. Liest man nämlich nur ein einziges kleines Halbsätzchen weiter, stößt man sofort auf das Gute, das wir Menschen nach Gottes Willen immer als Allererstes bekommen und bloß nicht vergessen sollen: Und das ist nun merkwürdigerweise weder langes Leben, noch Gesundheit, noch Erfolg und auch nicht Glück in der Liebe (obwohl die natürlich auch bestimmt nichts Schlechtes sind)! Das Gute, das Gott uns immer als Erstes und Wichtigstes geben will, ist die Vergebung der Sünden.

Lobe den Herrn, meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. So heißt es in Psalm 103. Und dann geht´s dort so weiter: Der dir alle deine Sünden vergibt ...

Das Gute, dass Gott uns in seiner Freundlichkeit als Allererstes geben will, und das wir bloß nicht vergessen sollen, besteht also darin, dass Gott uns die Sünden vergibt. Erstaunlich! Wir kämen von selbst nicht auf so etwas! Die Bibel muss es uns sagen!

Denn: Unser Wunschzettel an Gott sieht meist ganz anders aus. Da steht die Vergebung der Sünden keineswegs an erster Stelle. Da sind ganz andere Dinge vordringlich. Und damit ist klar: Das, was Gott uns geben will und das wir von ihm haben wollen, das klafft nicht selten weit auseinander!

Oder was meinen Sie, wie die Leute wohl reagieren, wenn Sie sie fragen würden: „Sagen Sie mal, möchten Sie wohl Vergebung der Sünden von Gott haben?“ Die meisten würden kugelrunde Augen kriegen vor Staunen. Andere würden sich amüsiert an die Stirn tippen oder sogar besorgt nachfragen, ob man religiös vielleicht etwas überdreht sei. Aber kaum einer würde wohl sagen: „Oh, ja, das wär´ gut! Danach habe ich mich schon immer gesehnt!“

Sagen wir es rundheraus: Vergebung der Sünden ist ein Ladenhüter. Es sind kaum Abnehmer dafür da. Und natürlich wäre es jetzt interessant herauszufinden, warum in aller Welt das eigentlich so ist.

Ja, warum ...? Mein Vorschlag: Weil viele Menschen Vergebung ihrer Sünden nie wirklich erfahren haben. Das ist der Grund. Sie haben sie nie wirklich erfahren. Und darum vergessen sie sie auch sofort wieder, wenn sie irgendwo davon hören. Sie können sich darunter überhaupt  nichts vorstellen!

Bitte: Wie gehen wir denn um mit den dunklen, bösen Dingen, die wir getan haben? Wir verstecken sie, ist es nicht so? Vor anderen und auch vor uns selbst. Wir Menschen lassen es meist gar nicht zu, dass Gott uns unsere Sünden vergibt. Einfach, weil wir sie vor Ihm verstecken. Ist es da ein Wunder, wenn die Vergebung der Sünden keine Rolle spielt in unserm Leben, sondern dem Vergessen anheimfällt? Aber in den Tiefen unseres Gewissens, da sind all diese Untaten gespeichert. Lagern sich dort ab: Schicht um Schicht. Und haben Gewicht. Und das müssen wir stemmen, Tag für Tag. Das kostet Kraft!

Aber: Unsere Sünden, die wir leider alle haben, die müssen vor Gott ans Licht. Nur dann können wir mit ihnen fertig werden.

Das ist wie mit jenen Skulpturen, wie sie in manchen Edelrestaurants manchmal als Sonderattraktion zu finden sind. Die stehen da herum, sind 1 – 2 Meter hoch und bestehen ganz aus Eis. Und was geschieht mit ihnen? Nun, unter dem Einfluss der Wärme und des Lichts zerfließen sie langsam und lösen sich auf.

Mit unseren Sünden ist es genauso: Sie müssen heraus in die Wärme und in das Licht Gottes. Sonst können sie nicht wegkommen aus unserem Leben. Praktisch sieht das so aus, dass wir sie konkret und laut bekennen vor Ihm.

Wir alle sündigen konkret und nicht allgemein. Da sollten wir auch konkret unsere Sünden vor Gott benennen und nicht allgemein, oder?! Dieses Bekennen kann entweder alleine - oder besser noch - mit einem anderen Christen als Zeugen geschehen. Der kann uns, wenn alles heraus ist, auch die Vergebung unserer Sünden konkret zusprechen. In der Bibel heißt es an einer Stelle (Jak 5, 16): Bekennt einander eure Sünden! Hier wird die so genannte Ohrenbeichte beschrieben, die keineswegs eine katholische, sondern eine biblische Erfindung ist. Und zwar eine gute!

Denn bitte: Was passiert denn, wenn ein Mensch seine Scham und seinen Stolz überwindet und zusammen mit einem anderen Christen vor Gott seine Sünden bekennt?

Nun, er wird eine große Entlastung und Befreiung erleben, die sich bis in die Tiefen seiner Person auswirkt. Aber das ist noch nicht alles! Wer die Erfahrung der Vergebung in Anspruch nimmt, erlebt auch, dass seine Vorstellung von Gott sich verändert. Sie wird gewissermaßen „entmoralisiert“. Er erlebt nämlich, dass Gott sich auch bei den scheußlichsten und hässlichsten seiner Sünden nicht angewidert von ihm abwendet, sondern ihn reinigt und ihm vergibt und ihn annimmt. Das heißt: So ein Mensch merkt plötzlich, dass Gott weder ein himmlischer Polizist ist noch eine nörgelige Gouvernante, sondern ein liebender Vater, der in unfassbar starker und umfassender Weise für ihn ist und eine persönliche Beziehung zu ihm haben will.

Viele Menschen fangen nach der persönlichen Erfahrung der Vergebung spontan an, Gott zu lieben, einfach weil sie erfahren haben, wie gut, wie freundlich und wie unendlich vergebungsbereit er ist und wie positiv er ihr Leben verändert. 

Eine von ihnen ist eine Prostituierte aus dem Hamburger Rotlicht-Milieu: Sie berichtet in einem Buch von ihrem Weg heraus aus der Prostitution und heraus aus ihrem alten Leben. Sie berichtet, wie sie durch die Prostitution innerlich kalt und immer kälter wurde. Wie sie sich immer tiefer in sich zurückzog. Wie es ihr immer schwerer fiel aus der inneren Einsamkeit herauszukommen. Wie ihr Leben unter immer mehr Schuld immer gefühlloser und härter wurde. Wie sie erstmals auf mutige Christen traf, die sie trotzdem achteten und nicht lockerließen über lange, lange Zeit. Wie es auch bei ihr irgendwann zu erschütternder Schulderkenntnis kam, zum Bekennen konkreter Sünde und – zur Erfahrung der Vergebung in der Seelsorge. „Es war, als würde etwas aus mir herausgehoben ...“ schreibt sie über den Augenblick, als ihr die Vergebung ihrer Schuld im Namen Jesu zugesprochen wurde: Eine überwältigende Erfahrung der Befreiung, der Entlastung und der Annahme durch den Lebendigen Gott.

Wer Vergebung von Gott so erfahren hat, dass er wirklich davon berührt wurde, wird das nie wieder vergessen. Und wenn er es doch einmal vergisst, wird er sich sofort wieder daran erinnern, wenn er darauf angesprochen wird. Denn: Nichts verändert unser Leben so nachhaltig wie die befreiende Erfahrung der Vergebung Gottes.